Saturday, December 03, 2011

Everybody goes suuuurfing....

Angesichts der vom Himmel fallenden Flocken, die dann längst geschmolzen als fette Tropfen auf die Straße klatschen, mag der Titel etwas befremdlich anmuten. Doch wer weiterliest, wird gleich merken, dass hier nicht von Wind und Wellen die Sprache ist.

Man kann nämlich auch auf Fauteuils (sprich auf Weinviertlerisch: fohdöhs) surfen. Das hat weniger mit Gleichgewichthalten und Sport zu tun, als es vielmehr eine Reiseform beschreibt, die dem Reisenden erstens die mühsame Ho(s)telsuche und das Zahlen für selbiges erspart und ihn zweitens um ein Abenteuer und nicht selten eine Freundschaft bereichert.


Man nehme:

* eine beliebige Stadt, irgendwo
* einen in dieser Stadt wohnenden Menschen, der ein Sofa/ein Bett/2 Quadratmeter Boden frei hat und keine Hemmungen, seinen Wohnraum mal ein paar Tage mit jemandem Wildfremden zu teilen
* einen geizigen und/oder abenteuerlustigen Reisenden, oder auch 2
* den Katalysator Onlineplattform, um alle involvierten auch zusammen zu bringen

Man heize die Onlineplattform auf Betriebstemperatur vor (durch Erstellen eines Profils, beispielsweise). Danach suche man die Stadt, in der man zu nächtigen hofft, und mische eine Prise Fingerspitzengefühl mit einem Schuss Initiative und suche sich einen Gastgeber nach Wahl. Gewürzt mit ein bisschen Kreativität und Freundlichkeit verfasse man eine Email und lasse das ganze brutzeln, bis man eine (hoffentlich positive) Antwort bekommt. Man kombiniere mit einem günstigen Flug, garniere nach Geschmack mit ein paar Gastgeschenken und auf jeden Fall großzügig mit Offenheit. Heiß servieren. Mahlzeit.




Und nun die persönliche Anekdote dazu - quasi ein Serviervorschlag:

Wie schon im Rumänienpost kurz vermerkt, gehöre auch ich zur geizigen (und ganz klein wenig abenteuersuchenden) Gruppe von Reisenden, und nachdem ich in Cluj schon so eine gute Erfahrung mit Couchsurfing gemacht hatte, konnte ich es kaum erwarten, mir durch einen zweiten Versuch selbst zu bestätigen, dass das kein einmaliger Glücksfall war.
Wie es im Leben manchmal so spielt, zog es mich für ein paar Tage in die Mitte Britanniens, wo ich zwischen verschiedenen Orten hin- und hergerissen werden sollte, weshalb mir Manchester als gute, mittige Basis erschien. (Außerdem hat die Stadt einen Flughafen, dh man ist schnell dort und auch schnell wieder weg.)
Zu faul, mich im Vorhinein großartig nach einer Bleibe umzusehen, packte mich eine Woche vor Abflug der Rappel und ich schickte 4 Anfragen hinaus. Zwei davon wurden positiv beantwortet und nach regem Emailverkehr noch auf eins eingedickt und so fand ich mich schließlich vor ein paar Tagen spätnachts in einer Studentenheimwohnung in Manchester wieder. Mein Gastgeber erwies sich als sehr bemüht, unkompliziert und sehr hilfsbereit und stattete mich sofort einmal mit einem Stadtplan und einem Wohnungsschlüssel aus.
Dass mir so sehr vertraut wurde, ehrte mich, sollte sich aber auch als guter Zug herausstellen, da ich volles Programm hatte, und zu den Zeiten, als ich dann "nach Hause" kam, mein Gastgeber meistens gerade nicht da war.

Obwohl wir uns wenig sahen, schafften wir es doch, ein paar Dinge gemeinsam zu unternehmen, wie z.B. mit einem befreundeten Nordiren lauthals irische Lieder zur Gitarre zu grölen, mit dem Tandem durch die Stadt zu flitzen (oh ja, das muss man mal gemacht haben!) und uns auf einem 60er-Jahre Clubbing die restliche Energie abzutanzen.

Den letzten Tag hatte ich für mich selbst zur Verfügung und hatte auf eine persönliche Stadtführung gehofft. Die bekam ich zwar aus Zeitmangelsgründen meines Hosts nicht, allerdings traf ich oben erwähnten Nordiren ein zweites Ma(h)l und verbrachte, nach einem anstrengenden Vormittag, an dem ich alleine stundenlang durch die Stadt marschiert war und über die deutschen Weihnachtsmärkte geschmunzelt hatte, meine letzten paar Stunden in Manchester in Gesellschaft, anstatt alleine.

Fazit dieses wieder mal viel zu lange geratenen Beitrags:
Die Couchsurfingsache, die eigentlich nur eine angenehme Randbedingung meines Ausflugs darstellen sollte, geriet durch ihre Großartigkeit beinhahe in den Mittelpunkt und bescherte mir, anstatt des bei Hostelbuchung antizipierten mühsamen Pflichterledigungstrip mit einsamen Abenden, einen schönen und gar nicht einsamen Ausflug, bei dem ich praktischerweise auch meine Pflichtsachen unterbringen konnte.

Ich habe mir vorgenommen, nun auch selber hin und wieder bedürftigen Reisenden ein Dach über dem Kopf zu geben und kann einem jeden Leser nur schwer empfehlen, sich auf dieses Abenteuer einmal einzulassen. Denn so inspirative Gespräche und Gastfreundlichkeit von fremden Menschen erfährt der Cluburlauber normalerweise nicht. Und die Erfahrungs- und Erlebnissschatztruhe wird auch schneller voll.