Sunday, February 20, 2011

Denglions on the rise: ein rant gegen die Hybridsprache

Managen, downloaden, mailen, smsen und weitere hübsche anglizistische Lehnwörter gibt es ja im Deutschen schon seit einiger Zeit und auch wenn diese ein bisschen überflüssig sind, haben sie sich im allgemeinen Sprachgebrauch eingebürgert. Computer- und Techniksprache sind nun einmal großteils Englisch und das Finden entsprechender deutscher Synonyme ist natürlich mühsam. Unabhängig davon, gibt es noch ein paar andere Kandidaten, die schon zu lange im Lande sind, um ausgewiesen zu werden. Hierzu zählt das leicht nondeskripte Adjektiv cool. All diese stellen für mich kein gröberes Problem dar.

Was mich jedoch in letzter Zeit ziemlich arg stört, ist der hohe Prozentsatz an wahrlich nicht notwendigen Derivationen aus dem Englischen und die gleichsam große Zahl and Einsprengseln von kompletten englischen Sätzen** in der ganz normalen täglichen Konversation.
Es hat den Anschein, dass man nicht mehr imstande ist, ein normales Gespräch in gutem Deutsch zu führen, sondern dass man sich ständig der englischen Lehnwörter bedienen muss, obwohl es durchaus brauchbare deutsche Entsprechungen für mindestens 90% der betroffenen Begriffe gibt.
**Zitate aus Büchern/Filmen/dem englischen Alltag/... sind natürlich aus Authentizitätsgründen als Ausnahme zu bezeichnen.

Facebook, die Plattform zur Verkümmerung vollwertiger sozialer Kontakte, ist dabei, aufgrund ihres internationalen Charakters und der Völkervernetzung, wenn nicht der Ursprung allen Übels, so doch die Geburtsstätte vieler dieser Abscheulichkeiten:
  • Man verlinkt Leute nicht, man tagged/taggt (wie schreibt man das richtig auf Denglisch?) sie.

  • Man stellt keine Fotos, Links, etc. online, man postet.

  • Selbst diejenigen, die Facebook auf Deutsch nutzen, liken die Fotos, Statusmeldungen und comments anderer, was das Zeug hält.

  • Oh, und was mir ein besonderer Dorn in der Seite ist: Selbst diejenigen, die ausschließlich deutschsprachige Freunde haben, schreiben ihre Statusmeldungen/Kommentare auf Englisch, und wenn möglich auch noch im "coolen" Slang - ob diese Äußerungen so überhaupt auf freier Wildbahn vorkommen, ist dabei vollkommen nebensächlich, mal abgesehen davon, dass es gekünstelter wohl fast schon nicht mehr geht. Man verzeihe mir bitte, wenn ich nach dem Vomitoriumsauffangbehelf in der Sitztasche vor mir greife, aber ich frage mich oft: wozu bitte?? Deutsch ist eine mindestens ebensoschöne Sprache und es erschließt sich mir nicht, warum man sich auf eine Art ausdrücken will, die nicht zu jemandem passt? (Wie gesagt, Zitate etc sind daraus ausgenommen.)
Gut, dass Facebook zu derartigen Spielereien verleitet, verstehe ich ja noch - immerhin wird man von anderen Leuten, Amerikanischen soaps und den diversen Medien beeinflusst und es ist auch für mich nicht immer leicht mich zu einer der beiden Sprachen zu bekennen. Aber im realen Leben muss das nicht sein. Nämlich, dass in meinem näheren und weiteren Umfeld, ungeachtet der jeweiligen Personen Bezug (und oft eher Bezuglosigkeit) zum Englischen furchtbar grausliche Interjektionen und Worthybriden auf dem Vormarsch sind:
  • Man betrügt und lügt nicht, man cheatet.

  • Man lästert nicht mehr über andere, man hatet gegen sie.

  • WHAT THE FUCK??? ist eine absolut übliche und allgemein akzeptierte Form, seinem Unmut Luft zu machen. Meistens tut man ebendieses in einem rant.

  • Eine Herausforderung ist keine Herausforderung mehr, sondern eine challenge. Zu einer solchen wird man von anderen Menschen mit dem entsprechenden Verb gechallenged.
  • Louis Vuitton Taschen, Emotionen und Orgasmen werden nicht mehr gefälscht oder vorgetäuscht, sondern lieber gefaked. Manchmal sogar ur!

  • Meine besonderen Lieblinge sind allerdings die supercoolen Angestellten bei Starbucks, wenn sie sich in voller Lautstärke und mit einem wunderhübsch aufgelegten amerikanischen Akzent "One tall soy caramel frappuccino, blended coffee, no whipped cream!" zurufen. Schon öfter musste ich ein Grinsen unterdrücken, wenn der neue Barrista dann mit der Wortkette nicht umgehen konnte und "Mit Schlagobers?" zurückfragte.
...und so weiter. Würde ich mir für diesen Eintrag mehr Zeit nehmen, könnte ich mit Sicherheit noch die einen oder anderen 20 Beispiele anführen, aber zu Demonstrationszwecken sei es hiermit einmal getan.

Der Punkt ist: Es nervt mich. Und es nervt mich noch mehr, dass ich auch selber betroffen bin, denn es ist natürlich nicht immer einfach im Flusse einer angeregten Unterhaltung rechtzeitig das richtige deutsche Wort zu finden, wenn das Englische schneller zur Hand ist und hin und wieder entfährt mir ein Awesome! oder ich like einen Facebookstatus, nur um mich daraufhin zu ärgern, diesem Trend zu unterliegen.
Mir ist freilich durchaus bewusst, dass es die Eingliederung von Fremdwörtern ein konstantes Phänomen ist - man nehme alles Griechische/Lateinische, wie Komposition, Universität, Alkohol, weiters Französisches wie Cousin, Garderobe, Püree.; Slawische, wie Powidl, Kolatsche, Powidlkolatsche, Bramburi... . Sprache ist ja schließlich ein bisschen amöboid und nimmt gerne allerlei Formen und Farben an und ist auch äußeren Einflüssen gegenüber nicht resistent; soll sie ja auch nicht sein. Aber zu viel des Mischens und Rührens ist auch nicht gut, sonst kriegt man statt eines Marmorkuchens indistinkten braunen Gatsch, der weder hell noch schokoladig ist.

Woran ich mich bei allen genannten Minifusionen besonders stoße, ist, dass ich sie erschreckenderweise auch (und fast vor allem) bei Menschen antreffe, die in einer authentischen Situation keinen geraden englischen Satz rausbringen würden. (Und offenbar auch keinen deutschen). Und das stört mich. Ein gepflegtes Zitat - ja gerne. Eine gebildete Sprachspielerei - nur her damit. Aber ein indefiniter Mischmasch aus den Worten, die man halt zufällig als erste parat hat ... nein.

Immerhin ist Sprache nicht nur kraftvolles Mittel zum Zweck, sondern hat auch ästhetische Qualitäten und die Fähigkeit, sich in einer Sprache klar und schön ausdrücken zu können, zeichnet in meinem Werteverständnis einen Menschen nun mal besonders aus. Und wenn Englisch, dann bitte gleich ordentlich und nicht mit deutschen Prä- und Suffixen.

So, Hasspredigt zu Ende. Gehet hin und sprechet sauber und besonnen.

EDIT und P.S.: Dazu sehr passend ein Beitrag der Wise Guys: Denglisch

1 comment:

Kathi said...

HAHA. gut, wieder von dir zu lesen! du hast mir hiermit 5 herrliche minuten beschert und ich denke, du sprichst hier im namen vieler.

da wir aber gerade dabei sind: ich stelle fest, dass ich mich dank aktueller sprachvermischung hin und wieder in keiner der beiden mir eigen gemachten sprachen korrekt ausdrücken kann. ansonsten: nieder mit den hybriden!!

drück dich!!
:)