Monday, April 16, 2012

Die Sache mit der Stange

Um wieder mal den Zeigefinger auf eine Offensichtlichkeit zu richten: die werten Radeln und die Frauen.

Wie jedes Kind, das zu groß für sein Kinderfahrrad geworden ist, weiß, lassen sich Fahrräder in zwei große Kategorien teilen: Damenfahrräder und Herrenfahrräder (neben den Sonderklassen der Einräder, Elektroräder und Rikschas. Doch die sind uns jetzt egal). Der Unterschied zwischen einem Damen- und Herrenrad beläuft sich in der Regel auf das Vorhandensein oder Fehlen, bzw. die Höhe der eingezogenen Querstange. Da dies ein schlecht recherchierter Beitrag ist, behaupte ich jetzt einmal ohne Beweise, dass die Funktion der Querstange eine stabilisierende war/ist, damit das Radl nicht zerfällt oder unnötigen Zug-, Druck- und sonstigen Spannungen ausgesetzt ist. Ich behaupte weiters, dass die Stange früher nicht Anstoß erregte, da mit Rädern ohnehin nur Männer (d.h. Hosenträger) fuhren. Dann kam die Zeit, da auch Frauen (die per definitionem Rock trugen) dieses Transportmittel in Anspruch nehmen wollten und prompt ließ man sich eine Möglichkeit einfallen, die am Fahrrad wirkenden Kräfte umzulenken: geht ja schließlich einfacher, als die Mode zu ändern. So erleichterte das niedriger angesetzte Oberrohr der berockten Frau den Aufstieg und ermöglichte ihr einen komfortablen Sitz, ohne, dass der Rock sich über eine Stange spannen musste und dabei vielleicht gar unzüchtig die Beine entblößte. So weit, so nachvollziehbar.



Nicht nachvollziehbar ist mir hingegen, warum im Zeitalter der Jeans und Leggings immer noch oft angenommen wird, dass Frauen - und ich spreche speziell von jungen, dynamischen, größtenteils hosentragenden Studentinnen - ein Damenrad wünschen und mit einem Herrenrad nicht umgehen könnten. So beklagte sich vor kurzem eine radsuchende Freundin, dass sie bei einem Gebrauchthändler mit Bedauern informiert worden sei, dass er keine Damenfahrräder habe. Als habe sie nicht sowieso ein Männerfahrrad gewollt, da sie kein Stangenproblem hat. Ebenso erstaunte mich, dass mein Vater, der mir sein (frühpensioniertes) Fahrrad nach langem Bitten und Betteln endlich überwidmete, zu bedenken gab, dass es sich dabei ja um ein Männerfahrrad handle und anzweifelte, dass ich mit der ungewohnten Stange zurechtkäme. Er fragte nach Inbetriebnahme durch mich sogar noch zweimal nach, ob ich mit dem Männerrad eh klarkäme. Wie nett, dass man so umsorgt wird.

Angesichts der Tatsache jedoch, dass wir Frauen für gewöhnlich besser gedehnt sind als Männer, mutet es beinahe seltsam an, dass wir ein Problem damit hätten, das Bein hoch über das Rad schwingen müssen, um aufzusitzen. Sollte das nicht eigentlich den pauschal ungedehnteren Männern schwerer fallen? Für alle Frauen, denen das Schwingen des Beins als Zumutung erscheint, oder die so flexibel nicht (mehr) sind, gibt es ja schließlich immer noch das gute alte Damenrad.

Ich persönlich orte in der Stange jedoch kein Problem, und wie es scheint tut es sonst auch niemand meiner weiblichen Freunde. Nur diverse Männer müssen sich scheinbar noch damit anfreunden, dass das Rad mit der Stange durchaus als Unisexmodell genutzt werden kann.

Übrigens: selbst mit Rock lässt sich ein Männerfahrrad fahren. Immerhin sind ja die Röcke nicht mehr zwangsweise bodenlang und den Knöchel (oder gar das Knie) zu entblößen wird seit längerem nicht mehr als unzüchtig angesehen.

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