Tuesday, May 10, 2022

Il Cammino di Dante (Teil 5) - Viel Schatten um Vallombrosa

Gestern habe ich den Tag nach einer Tasse exzellenten, selbst-gemachten Kräutertees von Mamma Sara (meiner herzlichen Quartiergeberin) und einem netten Plausch mit selbiger ausklingen lassen. Sie hat mich informiert, dass die meisten Wanderer einen der christlichen Pilgerwege gehen - entweder nach Assisi oder nach Rom. "Il Cammino di Dante fanno solo gli italiani", sagt sie ("Den Danteweg gehen nur Italiener.") Danach habe ich den Abend früh beendet und mich bei offenem Fenster - damit die gewaschene Kleidung über Nacht trocknen kann - ins Bett gekuschelt.

In der Früh lassen mich die Vögel langsam aufwachen und als der Morgen zu grauen beginnt, stehe ich schließlich auf, packe den Rucksack nochmal um und marschiere um 6:30 leise los. Nicht leise genug, denn ich höre plötzlich, wie der Fensterladen neben mir geöffnet wird: Mamma Saras Mann lacht mich an und wünscht mir "buon cammino e buona giornata!" (= Einen guten Weg und einen schönen Tag).

Los geht meine zweite Etappe (offiziell das Ende von Etappe 11 + die gesamte Etappe 12), von der ich zu diesem Zeitpunkt noch glaube, dass sie ca. 30 km lang ist: von Rignano sull'Arno über Pieve Pitiana und Vallombrosa nach Prato di Strada.

Bei dichtem Nebel steige ich ins Dorf hinab, um dort mein erstes Frühstück einzunehmen.


Dann über den Arno, den ich wegen des Nebel eher erahnen als sehen kann, und beginne mit dem Anstieg. Der wird gut die erste Hälfte des Tages in Anspruch nehmen.

Leider habe ich gleich zu Beginn ein paar Schwierigkeiten: die Markierung scheint an einer Stelle zu fehlen (eine Anwohnerin, die ich anspreche, hilft mir dankeswerterweise weiter), im gleich anschließenden Waldstück haben sie Holz gemacht und das steht zu Blöcken geschichtet mitten am Weg.



Über den Block im letzten Bild, der halb auseinander gerollt ist, muss ich sogar drüber klettern (und hoffen, dass er nicht weiter in den Abgrund rollt). Die kleinen Äste und Zweige, die überall auf dem Waldboden herumliegen, bilden Stolperfallen und ich bin froh, dass ich diesen Streckenteil im ausgeruhten und konzentrierten Zustand begehen kann. Irgendwann liegt dieses Teilstück hinter mir, doch gleich darauf ist der Weg kniehoch von taufeuchter Vegetation bewachsen, sodass es bald durch Hosenbeine, Schuhe und Socken nass durchgeht. Später wird das durch die Wärme hier wieder trocknen.

Durch Olivenhaine geht es weiter.



Nach ca. 2 Stunden erreiche ich den Endpunkt von Etappe 11: Pieve a Pitiana:


Ich gönne mir eine Pause, ein zweites Croissant und einen Apfel, bekomme dann Gesellschaft von zwei Hühnern:


Gestärkt geht es ab in den Wald und weiter bergauf, teilweise relativ steil. Dadurch, dass der Wald Schatten spendet, gut riecht und schön klingt, kann ich mich gar nicht auf die Mühsal des Anstiegs konzentrieren und genieße ihn stattdessen. Nach ca. 6 km erreiche ich Vallombrosa: eine wunderschön im Wald gelegene Abtei mit Kräutergarten, einer experimentellen Baumschule und einem Museum. Das kann man alles (teilweise nur bei Voranmeldung) besichtigen, doch ich habe Hunger und Durst und möchte rasten.

Abtei Vallombrosa



Zu meinem Glück hat die kleine Bar (im italienischen Sinne) ein Stück weiter offen und ich bestelle mir ein Panino und ein Bier für meine Mittagsjause. Der Wirt muss erst in die Gänge kommen: ich sei seine erste Kundschaft heute und generell haben sie noch nicht lange offen und alles sei noch im Prozess des Herrichtens. Er holt Brot aus seinem Auto und füllt es mir und bedauert, dass das Bier noch nicht ordentlich kalt geworden sei (es passt). Ich bin jedenfalls glücklich, dass ich an einem so schönen Ort rasten darf.

Danach kommt der Aufstieg zum höchsten Punkt des Tages (Croce Vecchia, ca. 1200 Hm). Dort setze ich mich ins Gras, genieße die Weitsicht und esse zwei Motivationsdatteln. Hier lese ich auch nochmal meine beiden Karten (die Verschiedenes sagen) und stelle fest, dass die Etappe doch etwas länger wird, als gedacht: Ab hier sind es noch ca. 12 km.


Danach kommt ein recht steiler, aber schöner Abstieg durch den Wald, mit vielen Bächlein.


Als ich mich nochmal hinsetze, um das Rauschen des Baches und ein paar Nüsse und Karotten zu genießen, beginnt es zu tröpfeln. Aus dem Tröpfeln wird ein ordentlicher Regen, der mich die nächsten beiden Kilometer begleiten wird. Das ist prinzipiell kein Problem, denn für den Rucksack habe ich einen Regenschutz und die Luft ist warm genug, dass ich für mich keinen benötige. Einzig ärgerlich daran ist, dass der Waldboden (konkret Blätter und Steine) durch den Regen rutschig werden und ich mich ziemlich konzentrieren muss, um ein Rutschen oder Umknöcheln zu verhindern - und das nach 30 Kilometern...

Panorama

Die letzten 5 km ziehen sich ordentlich und ich beginne nicht mehr gehen zu wollen. Schließlich bringe ich auch die hinter mich und läute an der Tür des Klosters, in dem ich nächtigen werde.
Während ich hier tippe knurrt mein Magen und ich freue mich schon SEHR auf das warme Abendessen in 20 Minuten!

Etappenzusammenfassung (laut meiner Fitnesstrackeruhr):
35,5 km Distanz
1.413 Hm Gesamtaufstieg
10:15 Gesamtgehzeit inklusive der vier Pausen

Körperzustandszusammenfassung:
Ein wenig erschöpft, aber ok. Fußsohlen, Zehenspitzen und Schultern schmerzen. Ansonsten geht es erstaunlich gut. Die Knie haben sich noch gar nicht gemeldet und der rechte Knöchel - meine wohl größte Sorgenstelle, weil der zum Umknicken neigt, wenn ich nicht sehr aufpasse - fühlt sich ein wenig beansprucht an, aber schmerzt nicht.

Lektürefortschritt:
16. Gesang der Hölle (der Divina Commedia).
Ich versuche jeden Tag 2-4 Gesänge zu lesen. Heute wird es vielleicht nur einer.




1 comment:

Anonymous said...

Spannend meine Liebe! Schlaf gut - aber nach über 10h Gehen gibt es wohl kaum einen besseren Schlaf. Lg aus uod 😘