Thursday, December 10, 2009

Quas istaec secum ipsa actitat Tragicomoedias?

Vor gar nicht allzu langer Zeit, genauer gesagt vor etwa 10 Monaten, bekam ich einen Anruf, der mich überrascht, verunsichert und zu gleich hocherfreut hat. Eine Studienkollegin mit viel Erfahrung im Musicalbereich war's die mich mit etwas folgenden Worten nahezu in Sprachlosigkeit versetzte: Wir spielen ein lateinisches Theater. Cool! Hast du Lust? Immer! Ich will dich in der Hauptrolle. WAS?! Was? Bist du dir sicher? Sie war's - zwar nicht durchgehend, aber dann doch immer mehr.

Und so begab es sich, dass ein kleiner Trupp von (großteils Latein-)Studenten unter professorischer und professioneller Leitung sich an ein Jesuitendrama mit dem Titel "Philemon" machte.

Kurz: Der Taugenichts Philemon, dessen Lebensinhalt Fressen, Saufen und Leute zum Narren Halten ist, willigt ein für seinen christlichen Freund Apollonius dem Jupiter zu opfern. Als Mönch verkleidet, zieht er zu diesem Zweck los, wird aber dabei von einem Engel bekehrt und kann nun, da er selber Christ ist, dem Jupiter doch nicht opfern. Als er sich deshalb verbissen weigert, wird er zum Tode verurteilt - ebenso wie sein Freund Apollonius.

Viele Rollen wurden ins Wienerische/Französische/Behmische geschoben, einiges wurde in Latein belassen und generell wurde großzügig gekürzt. Trotz vehementer Weigerung zwang man mich zu rappen und stellte mir zu diesem Zweck 4 sonnenbebrillte (Wo)Men in Black als Backgroundchor zur Verfügung. Weitere interessante Lichter waren ein (gegen Glastüren) rollender Bekehrungsengel, ein wiener Prolet, komplett mit Feinrippunterhemd und Trainingshose, ein frankophoner Bote, ein eeeewig jammernder Mönch, eine behmische Putzfrau, Dumm und Dümmer als Soldaten usw. Alle grandiosest verkörpert!

Das Stück wurde im Juni als Pilotprojekt an der Akademie der Wissenschaften in Wien einmal aufgeführt (vor vollem Saale, oh ja!) und allgemein für gut befunden. Und so sprangen einige Lateinlehrer und Funktionäre sofort an und wir wurden für weitere 3 Aufführungen im Dezember angeheuert (vorerst).

Nach 3 läppischen Proben im November gingen besagte Aufführungen unter dem Titel "Lateinische Film- und Theatertage" in leicht veränderter Besetzung letzte Woche sprichwörtlich über die Bühne und unser kleiner grex zog im Tourbus von Spielstätte zu Spielstätte.
Das erste Publikum rang uns nicht unbedingt Höchstleistungen ab (30 Leute, alle leider sichtbar wegen mangelnder Scheinwerferblendung, alle eher weniger auf der lustigen Seite) und wir kürzten deshalb das Script gleich mal um eine komplette Seite. Unabsichtlich. (Highlight: Man zwang mich mein Bühnennickerchen auf dem dort stehenden Flügel zu machen, was mir höchst unangenehm war. Immerhin hat man mir zeit meines Musikerinnenlebens Respekt vor Instrumenten beigebracht...)
Die anderen beiden Vorstellungen liefen allerdings prima und jetzt hatten wir auch schon die richtige Sicherheit um Unsicherheiten einfach zu überspielen, manche Elemente unterstützend hinzuzufügen, für Schulklassen alles noch ein bisschen lustiger zu spielen (der Helm des Hektor wird dann zu "ahm cooln Krochakappl") und halt dann irgendwie zu improvisieren (was mir bei meiner zu 99,5% lateinischen Rolle eher schwer fällt, da ich die Sprache leider immer noch nicht fließend spreche). Jede Vorstellung bietet somit neue Überraschungen und unsere Kreativität nimmt kein Ende: So tritt beispielsweise Eva (alias Geta und später Philemons Bruder Theon...man beachte die beiden Binnenreime!) jeden Tag mit anderer Bart- und Brusthaarfrisur auf (beide natürlich unecht!). Oft muss ich mich bemühen im ernsten Teil meiner Rolle nicht zu lachen - z.B. wenn statt Pfeilen und Speeren auf einmal Speile und Pferde an mir vorbeifliegen....
Und alle werden von Aufführung zu Aufführung immer besser!

Faszinierend finde ich, dass jedes Publikum verschieden ist: Man lacht an ganz unterschiedlichen Stellen, manche ignorieren mich in meiner Rolle als bettelnder Musiker, andere zücken sofort die Geldbörse, sodass ich mich erschrocken bemühe, schnell weiterzukommen; immerhin will ich meinen Hut dann wieder aufsetzen, ohne dass sich ein Münzenregen über meinen Kopf ergießt...

Weiters finde ich an dieser einmalig wunderbaren Erfahrung jedesmal wieder faszinierend, wie sehr eine Stunde auf der Bühne stehen und sprechen an die Substanz geht: Nach der ersten Aufführung hätte man uns alle sofort ins Bett legen können, streichfähig wie wir waren. Nach der zweiten Aufführung hatte ich einen abartigen Heißhunger. Nach der dritten Aufführung beides, aber es wurde bei ein paar Campari-Soda verdrängt.

Gelernt habe ich laut und deutlich zu sprechen und Mimik und Gestik halbwegs so einzusetzen, dass man auch vom lateinischen Text ein klitzekleines Bisschen mitbekommt. Weiters habe ich gelernt, wie schön es ist, Teil eines derartigen Projekts zu sein und dabei noch mit so tollen Leuten zusammenspielen zu dürfen, die mir durch diese intensive Erfahrung alle sehr ans Herz gewachsen sind. Und so stimmt es mich fast traurig, dass wir nur noch einmal die Theaterbühne beleben werden, bevor ich in ferne Lande aufbreche...

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