Friday, November 23, 2012

Speziell für Sie: Ofenfrisch aus der Mikrowelle

Ein Phänomen, das mir immer häufiger unterkommt und dessen wachsende Absurdität mich zu einem erbosten Aufschrei anstachelt, ist die relativ neue Mode, Konsumenten (vorwiegend) Backwaren in gewärmtem Zustand zu verkaufen. Warm = frisch; auch, wenn das Gut, um das es sich handelt vielleicht schon mehrere Tage lang auf dieser Welt war.

Und überhaupt ist warm scheinbar viel besser zu bewerten als kalt. So hat man mir, in einer von mir sehr geschätzten Bäckerei, eine Marzipankolatsche mal freudig lächelnd mit den Worten 'Die ist ganz frisch aus dem Ofen!' verkauft. Blöderweise wollte ich sie gleich essen,  mag aber kein warmes Marzipan und bekomme außerdem von warmen Backwaren - besonders den vollkornhaltigen - sehr leicht Bauchweh. Meine Freude hielt sich also in Grenzen.

Dass das bei einem Bäcker passiert, ist ja nun kein Wunder: immerhin wird dort den ganzen Tag lang Gebäck frisch aufgebacken, damit die Kunden das Frischeste vom Frischen bekommen. (Ich untergrabe das Konzept und kaufe die (garantiert nicht warmen) Waren vom Vortag zum halben Preis. Ha-ha. Doppelsieg!)

Viel schlimmer jedoch finde ich die Unsitte, mittlerweile alles in die Mikrowelle oder den Toaster zu legen, was eine derartige Wärmebehandlung überlebt. Oder eben nicht.
Als ich das erste Mal gefragt wurde, ob ich den mit Frischkäse und Salat gefüllten Bagel getoastet haben wolle, rief ich schockiert und ungläubig 'Nein!' und begann, für alle Zeiten am Hausverstand der Bedienpersonen des Etablissements zu zweifeln: Bei Frischkäse kann man vielleicht noch diskutieren, aber Salat genieße ich bevorzugt ungewärmt.
Auch als man mir bei Coffeebucks mal einen Scone aufwärmen wollte, warf ich mich gedanklich sofort zwischen ebendiesen Scone und die Mikrowelle. Einen (vermutlich) mehrere Tage alten Scone will ich garantiert nicht aufgewärmt, danke. Der wird dadurch zuerst letschert und dann nur noch härter als vorher. Und dann muss ich tunken. Ich tunke nicht gern.

All das kann ich mit halbwegs versteckter innerer Empörung ja noch irgendwie hinnehmen. Wenn es allerdings zu Zwischenfällen wie vergangenen Montag kommt, schwappt das Fass der Erträglichkeiten über.
An besagtem Montag wollte ich mir, getrieben vom spontanen Gusto und nicht vom Hunger, einen Schokomuffin bestellen, auf dass er den Kaffee komplementiere. Also tat ich das, denn die Muffins sahen hervorragend aus. Der Faden meiner Geduld war schon etwas angespannt, ob der offensichtlichen Optimierbarkeit des Servierpersonals*, doch immerhin wurde meine Bestellung fragenlos entgegengenommen.

 *ja, ich bin sehr, sehr kritisch geworden. Aber ich darf das.

Doch, oh, ich wünschte sie hätten mich gefragt! Denn was bekam ich? Einen brennheißen Schokomuffin, dessen aufgestreute Schokoladestückchen nun schon zum zweiten Mal halb geschmolzen, halb karamellisiert waren. Welch Freude.

Enttäuscht starrte ich für einige Sekunden auf den Teller. Überlegte, meinen Frust mit dem ersten Bissen heißen Muffins zu zerkauen und runterzuschlucken. Doch dann fasste ich mir ein Herz, brachte ihn zurück und verlangte einen ungewärmten Muffin. "Aber der hat doch einen flüssigen Schokokern!" ließ ich dabei als Erklärung dieser Frechheit nicht gelten (vor allem, da sich herausstellen sollte, dass der Kern auch beim kalten Muffin nicht fest war, weil Nutella).
Der war dann ok. Obwohl die Enttäuschung trotzdem noch nachklang.

Wie kommt man auch auf die Idee anzunehmen, dass Kunden einen brennheißen Mikrowellmuffin einem stinknormalen, nach dem Backen ausgekühlten Muffin vorziehen könnten? Frisch aus dem Ofen nach dem Selbstbacken ist halt doch anders, als frisch aus der Mikrowelle und für die Zukunft lerne ich: Egal worum es sich handelt, ich werde ab jetzt alle Backwaren ausdrücklich 'ungewärmt' bestellen. Egal, ob ich dann blöd angesehen werde oder nicht.