Thursday, September 03, 2015

WWOOF!

What does the dog say?

Nein. Darum geht's hier nicht.

WWOOF steht für World-Wide Opportunities on Organic Farms und dieser Beitrag ist schon seit über einem Jahr ausständig.

Vergangenes, sowie auch dieses Jahr, verbrachten Mo und ich knappe zwei Wochen im englischen Somerset, bei einer Familie, die sich der biologischen Landwirtschaft verschrieben hat. Einer der treibenden Gründe hinter dieser Aktion war, dass wir für längere Zeit nach Großbritannien verreisen wollten, ohne dafür viel Geld ausgeben zu müssen. Der zweite war mein Bestreben viel Zeit an der frischen Luft zu verbringen und vielleicht das eine oder andere über Gemüseanbau zu lernen.

Das WWOOFing-Prinzip funktioniert so: Man verbringt eine gewisse Zeit bei einer Person oder Familie bei freier Kost und Logie. Im Gegenzug hilft man bei diversen Arbeiten um Haus und Hof; vorwiegend im agrarischen Bereich. Das zeitliche Arbeitsaufwand, sowie die Art der Tätigkeiten variieren von Betrieb zu Betrieb, sind aber im Vorhinein weitgehend klar und sollten* höchst fair sein. Gesehen habe ich Arrangements, die Arbeitszeiten zwischen 4 und 6 Tagen die Woche und 4 bis 8 Stunden pro Tag umfassen. Die Wochenenden sind für gewöhnlich frei.

* Wir haben auch schon von einer unschönen Ausnahme gehört. Die dürfte jetzt aber eigentlich herausgefiltert worden sein.

Wir fassten also den Entschluss, einen Teil unseres Urlaubs arbeitend zu verbringen, meldeten uns auf der Plattform an, erstellten ein (so hofften wir) total ansprechendes Profil und begannen, uns durch die verschiedenen Farms zu klicken und einige gleich anzuschreiben. Nach ein paar Absagen kam dann endlich eine Zusage à la "es ist momentan zwar total chaotisch bei uns, aber wir finden schon Platz für euch".

Wir begaben uns auf die Reise nach Frome und dichteten dabei vor lauter Langeweile Limericks auf alle Städte und Dörfer, in denen der Zug stehenblieb.

Conductor: "Where are you going?"
Wir: "To Frome [frəum]."
C: "To Frome [fru:m]? What are you going to Frome for? Weird people live there. And it's on a hill."
Aha. 

Stellte sich heraus, dass Frome eine sehr charmante Kleinstadt mit einer hohen Dichte an Hippies, Künstlern und Freunden biologischer Landwirtschaft ist. Es gibt Vintagegeschäfte, nette Cafés, enge Gassen und viele gemütliche Ecken. Wir fühlten uns sofort wohl.

Die Familie, bei der wir zu Gast waren, hätte nicht besser zu uns passen können: Zwei Akademiker mit vier Kindern (von denen drei allerdings schon quasi erwachen sind), die die biologische Landwirtschaft und das Ausliefern von Gemüseboxen zu ihrem Projekt gemacht haben. Menschen mit einem sehr breiten Horizont und Erfahrungsschatz, der Basis vieler interessanter Gespräche war, mit einer Fülle an Interessen und Ideen, die keine Langeweile aufkommen ließen, mit gutem Musikgeschmack und großartigem Humor.

Wir wohnten in einem Wohnwagen unter Bäumen - bei britischen Temperaturen schläft es sich darin trotz der Enge wunderbar -, genossen das Armeezelt, in dem wir im ersten Jahr unsere Versorgungsstation hatten, das Freiluftwaschbecken und die Gartenschlauchdusche hinter den Polytunnels**. Wir gewöhnten uns auch sehr schnell an die Komposttoiletten***, die man mit einem etwas unvollständigen Gefühl verlässt, da das übliche Abschiedswasserrauschen ausbleibt.

** nur an warmen Tagen. Wir kamen sonst auch in den Genuss einer herkömmlichen Dusche.
*** Plumpsklos, die allerdings durch eine Trichterkonstruktion Urin von Kot trennen. Beides kann dann unterschiedlich kompostiert werden. Ist tatsächlich sehr interessant. Stinkt außerdem nicht besonders, da Sägespäne zum Abdecken verwendet werden.


Wir hatten in beiden Jahren Glück mit dem Wetter: Es war überwiegend sonnig. Hier ein paar unserer Tätigkeiten (jahresübergreifend):
  • Wir jäteten Unkraut. Viel Unkraut. Schnell nachwachsendes. Die Disteln waren höher als ich. Die Brennesseln ebenso. Sie stachen durch die Handschuhe durch.
  • Wir gossen die Pflanzen (und leider auch das ungejätete Unkraut).
  • Wir ernteten Gemüse: Salat, Zucchini, Mangold, Paradeiser, Bohnen, rote Rüben etc. etc.
  • Wir trieben Schafe zusammen und auseinander und assistierten bei einer Behandlung gegen Zecken und andere Tiere.
  • Wir fütterten die Enten und gruben ihnen einen Teich. Dabei fanden wir viele Regenwürmer aller Größen und Farbintensitäten, sowie Verknotungszustände.
  • Wir fütterten die Hühner und fingen sie wieder ein, wenn sie ausbüchsten. (Im zweiten Jahr trauerten wir um die Hühner, da sie inzwischen scheinbar einem Raubtier zum Opfer gefallen waren.)
  • Wir gruben ein Loch. Ein tiefes Pfahlloch. In Erde, in der lauter beißende roten Ameisen wohnten.
  • Wir besserten den Feldweg aus.
  • Wir montierten ein Blechdach auf dem am Feld entstehenden Blockhaus.
  • Wir legten Strohballenfolie auf einen abschüssigen Weg und machten daraus eine Wasserrutsche. (Nein, das zählt nicht als Arbeit.)
  • Wir sägten Bretter zurecht und legten damit einen Holzboden.
  • Wir gingen viel in Pubs, spielten viel Billard und tranken noch mehr Cider. (Somerset ist eine Cidergegend. Wer nur Strongbow und Bulmers kennt möge sich dorthin begeben und sich in einem stinknormalen Supermarkt der Überforderung stellen - über alle Arten von Thatcher's und Orchard Pig bis zu Firedancer).
  • Wir brachten den Burschen und den anderen WWOOFERN ein bisschen Irish Dance bei.
  • Wir machten wochenends Ausflüge nach Bath, Bristol, Mells und Wells, oder einfach nur in die Stadt.

Das beste allerdings liefere ich euch in Bildern: Wir bauten einen Tisch! 
Und das kam so: Wir stellten uns beim Bodenlegen offenbar nicht ungeschickt an - ich habe nicht einmal den scheinbar sehr bruchgefährdeten 3mm-Bohraufsatz abgebrochen - und die Wetterprognose stand auf Regen, sodass unsere Arbeit- und Quartiergeberin sich Aktivitäten für uns überlegte, bei denen wir dem Wetter nicht zu sehr ausgesetzt waren. So fragte sie auf einmal: "Kristina, I've been thinking. ... It would be great if we had an outdoor-table. Do you think you might enjoy building one?" Ich war gleich mal sprachlos, dass man mir das zutraut, und dann voller Euphorie. Mo und ich wurden das carpentry dream-team.
Wir bauten nach Skizze aus den vom Hausbau übrig gebliebenen Restbrettern, die nass in der Wiese lagen, drauf los. Mit einer Säge (nicht elektrisch), einem Winkel, Maßband und Bleistift, sowie zwei Akkuschraubern. Das Sägen gestaltete sich einigermaßen kraftaufwändig, doch man gewöhnt sich. Bald hatten wir einen Rahmen, der auf vier Beinen stand. Zu unserer großen Überraschung und noch größeren Freude wackelte der nicht einmal:

Probelegen der Tischplatte

Da der Tisch sehr schwer geworden wäre, wenn wir ihn in einem Stück gebaut hätten, entschlossen wir uns einfach spontan, die Platte als eigenen, abnehmbaren Bauteil zu konstruieren.

Sessel, um den Sitzkomfort zu testen. Entdeckung eines kleinen Messfehlers..

Müde nach Tag 1 am noch unfertigen Tisch.

Der Tisch wurde zu unserem Projekt und wir waren mit der Grundidee des groben Gartentischs nun längst nicht mehr zufrieden. Wir wollten den Tisch schöner und besser machen. Wir baten um Schleifpapier (viiiel Schleifpapier) und Öl zum Einlassen. Es wurde uns gewährt.
Ein weiterer Tag verging mit der Feinarbeit des Schleifens und Ölens. Außerdem stabilisierten wir den Rahmen und die Beine noch weiter. Schließlich hinterließen wir noch unsere Spuren im Holz.



Um unsere Gastgeber, die an unserem letzten Wochendende selber nicht vor Ort waren, zu überraschen, platzierten wir den fertigen Tisch auf der Veranda und weihten ihn auch gleich gebührend ein:

Ein Werk ist vollbracht
 
(Und da wir schließlich immer noch Restholz hatten und die Tochter unserer Gastfamilie beim Geschirrspülen noch nicht recht hinaufreicht, bauten wir ihr flink noch einen Schemel. Wenn man schon dabei ist ...  Dabei brach dann auch - beim allerletzten Bohrloch - der vermaledeite Aufsatz).

Nach zehn Tagen nahmen wir wieder Abschied vom Landleben und reisten weiter. Beide Jahre wollten sie uns noch länger dort behalten. Beide Jahre spielten wir mit dem Gedanken wiederzukommen. Mal sehen, was wir nächstes Jahr machen wollen.

Es ist jedenfalls sehr schön, wenn man gewohnt ist, seine Arbeit überwiegend geistig, vor Menschen oder am Computer zu verrichten, seine Energie zur Abwechslung auf körperliche Tätigkeiten zu fokussieren. Plötzlich hat man den Geist frei und stimmt vielleicht sogar das eine oder andere Lied an.