Wednesday, June 08, 2011

Cluj Days - ft. salt, rock, cardboard and a lot of coffee

Wenn Schwesterchen sich für ein halbes Jahr nach Rumänien vertschüsst, muss sie natürlich mit einer Heimsuchung rechnen und um sie für ein paar Tage zu sehen nahm ich mir Uniurlaub und eine ganznächtliche, nervenaufreibende Busfahrt in Kauf - begleitet von Shrek 4 auf Ungarisch.

Frühmorgens stieg ich gerädert und unausgeschlafen aus dem Bus und wurde von meiner herzallerliebsten Schwester mit einem Willkommensschild empfangen - Ach, Wiedersehen macht doch Freude!! Der lange Spaziergang durch die Stadt belebt die tauben Beine und durch ein Frühstück am Museumsplatz, dem vermutlich nettesten Eck in ganz Cluj, wurde auch mein Geist soweit wieder hergestellt.


Der Tag war lang und geprägt von viel Zeit auf den Beinen, sodass die Sehnsucht nach Dusche und Bett bis zum Abend beständig wuchs. Schließlich wurde es dunkel und somit war es an der Zeit meinen Gastgeber zu treffen:
Ich hatte aus Kostengründen (und Abenteuerlust) beschlossen, es erstmals mit Couchsurfing zu versuchen und dabei offenbar einen Volltreffer gelandet: Slim und ich verstanden uns auf Anhieb blendend und ich erhielt nicht nur einen guten Bettplatz für 3 Nächte, sondern gewann im Kombipaket auch einen Freund.

Die meiste Zeit verbrachte ich freilich dennoch mit Lisa, und so fuhren wir am Sonntag nach Turda, um vor der glühenden Hitze unter die Erde zu fliehen: genauer gesagt in ein Salzbergwerk mit einer konstanten Temperatur von 12°C. Herrlich.

Ein laaaaaaanger, feuchter Tunnel und einer Handvoll Stufen führten uns in die Berggrotte:

....einen Vergnügungspark! Unter der Erde! Mit Billiardtischen, Picknickbänken, einem Theater, einem Riesenrad...

... und einem See mit Ruderbooten!



Wir waren überfordert und suchten nach einem ausgedehnten Rundgang wieder den Weg an die Oberfläche.


Nächster Autostopp-Halt: Cheile Turzii - eine unter Naturschutz stehende Schlucht:







Nach ein paar Stunden in der wunderschönen Natur und nur gestört von Steine werfenden und laut auf Ungarisch singenden Schulklassen, versuchten wir, zurück nach Cluj zu gelangen. Unsere Lieblingsreisemethode, der Autostopp, erwies sich allerdings als nicht allzu einfach, da die Autos entweder bereits randvoll waren, es sich um getarnte Taxis (Schild in der Heckscheibe anstatt leuchtend am Autodach) handelte, oder die Leute einfach nicht bereit waren, uns mitzunehmen. Schlussendlich hatten wir dennoch Glück und ein nettes Ehepaar chauffierte uns nach Turda, wo wir zwei Plätze in der Klapperkarre dreier ungarischer Bürschchen ergatterten ("I think it's funny that you come to Romania to study. I mean: WHY? It's in the middle of nowhere!"). Früher als erhofft hatte Cluj uns wieder.

Ein anstrengender Tag, den wir bei ein paar leckeren rumänischen Bieren mit Slim und seinen vielen Freunden im L'Atelier ausklingen ließen. Dieses Café sollte unser allabendlicher Zufluchtsort werden, da neben dem tollen Ambiente und der reichlichen Getränkeauswahl besonders die bequeme Einrichtung aus - tadah! - Karton bestach:



Am nächsten Tag zog es uns in den Schatten diesmal künstlich angelegter Natur - den botanischen Garten von Cluj, wo wir uns auf Waldwegen fast verirrten, Flüsse querten...



... und uns schließlich - auch ohne Buschmesser - durch's tropische Dickicht schlugen...


...bis wir die Pflanze der Pflanzen gefunden hatten....


(ok, sie rangiert auf dem dritten Platz: nach Tee und Kakao, aber man nimmt, was man kriegen kann...)

Wie passend, hat Cluj sich doch in meinem Hirn auch als die Stadt der manigfaltigen Kaffeespezialitäten eingebrannt: Alle bekannten Variationen in warm oder kalt, Frappes aller Arten - mit oder ohne Eis, Schlagobers, Kirschen, Ananas, etc etc und das alles zu einem Preis, der Starbucks und Konsorten in den Bankrott treiben würde! Um mich bei all den Strapazen und vor allem dem nicht zu bekämpfenden Schlafmangel wach zu halten, legten wir regelmäßige Dopingpausen an schönen Plätzen ein:

Auf dem Hügel - Blick über die Stadt


Den Zeitpunkt meines Besuchs hatte ich unbeabsichtigt gut gewählt, denn just in dieser Woche gab es die Cluj-Tage, dh Konzerte, Filmvorführungen und allerlei andere Kunstveranstaltungen en masse. Eins davon war eine nächtliche Kurzfilmtour durch die Stadt: alle paar hundert Meter blieb man stehen und es wurde zur allgemeinen Unterhaltung ein Filmchen an die Wand geworfen:



Durch all den Trubel und die viele Aktivität präsentierte Cluj-Napoca [sprich: Napoka] sich als sehr lebendige, bunte, studentische Stadt - einfach zum Wohlfühlen!

Letzte Station meines Aufenthalts war dann das Freilichtmuseum in Cluj. Mit von der Raiffeisenbank gratis zur Verfügung gestellten Fahrrädern und in Begleitung der Bokustudentin Romana flitzten wir dorthin:

Bauernhäuser, Blumenwiesen, Bienenstöcke



Die Kirche war das einzig offene Gebäude - zumindest sehr sehenswert!
(Das wären die anderen bestimmt auch gewesen..)


Der neue Spielplatz (offiziell eröffnet ca. 1 Stunde nach Aufnahme dieses Fotos)
wurde von uns schon vorab auf Erwachsenentauglichkeit geprüft.
Urteil: mit Bravour bestanden!


So verbrachten wir also die Tage und Nächte - gingen, schauten, schlemmten, holten viele Stunden an lange ausgebliebenen Gesprächen nach, feierten Lisas Geburtstag und schon musste ich mich wieder in den Bus nach Hause setzen.

Im Rückreisegepäck habe ich folgende Erkenntnisse über Rumänien sicher verstaut:
  • Junge Rumänen grüßen auch mit Servus und verabschieden sich mit (ba)ba!
  • Das an jeder Ecke billig zu habende und allseits beliebte fast food sind dünne Laugenbrezeln um 1 Lei (=ein paar cent). Sie werden, damit man sie nicht verliert, gerne mit Garn zusammengebunden und vielfach sieht man Clujianer mit einem derartigen Brezenketterl herumlaufen.
  • Generell sind Speisen und Getränke in Rumänien nicht übersüßt wie bei uns, sondern schmecken viel natürlicher. Fettes Plus!
  • Das Teemonopol hat Demmer's Teehaus inne - man fühlt sich fast wie zuhause.
  • In den meisten Lokalen gabs nur eine Toilette pro Geschlecht (oftmals sogar nur eine einzige für alle) und DENNOCH musste ich - bei meist vollem Lokal, wohlgemerkt - nur ein einziges Mal mich anstellen. Wie machen die das?!
  • Rumänisch ist eine interessante Sprache und in den paar Tagen, die ich dort verbringen durfte, bin ich allen Sprachkompetenten mit meiner neugierigen Fragerei auf die Nerven gegangen, hab aber auch ein bisschen was dazu gemerkt.

Fazit: Rumänien mag ich, ich hab mich schnell zuhause gefühlt und wäre durchaus einem Wiederbesuchen nicht abgeneigt!

In diesem Sinne: La revedere, Romania! (man verzeihe die fehlenden Akzente)