Friday, June 08, 2012

Im Fruehtau zur Puja wir ziehn, fallerah!

4:00 ist eine gute Zeit zum Aufstehen. Es ist noch dunkel, doch die Voegel zwitschern schon. Ansonsten ist es komplett ruhig.

Keine Angst, mein Schlafrhythmus wir nicht noch abartiger. Der Grund dieser zeitigen Tagwache vergangenen Montag war der immer noch bestehende Wunsch, in Thikse Gompa (Kloster Thikse) an der im Reisefuehrer angepriesenen Morgenpuja teilzunehmen. Diese sollte angeblich um 6:00 beginnen und da Ivonne und ich keinesfalls zu spaet hineinplatzen wollten, marschierten wir um 4:30 vom Mahabodhi Centre los. 

Man hatte uns informiert, dass um diese Zeit weder Busse noch Taxis zu finden waeren und deshalb versuchten wir wieder mal unser Glueck mit dem ausgestreckten Daumen. Gerade mal 100m mussten wir aus Choglamsar raus und waren gerade im Begriff, den Palast des Dalai Lama (der hat dort eine Residenz) zu passieren, als wir ein Auto hoerten - das erste und einzige weit und breit. Es naeherte sich im rasenden Tempo, doch als der Fahrer sah, dass wir gerne mitfahren wuerden, bremste er sich sofort ein, nur um gleich wieder voll los zu starten, sobald wir eingestiegen waren. Kurz vor 5 waren wir schon in Thikse.

Industal im Morgenlicht

Das Kloster thront auf einem Berg. Unterhalb kleben die Wohnstaetten der Moenche im Felsen. Es war noch ganz ruhig, als wir uns auf Treppen und schmalen Weglein da durch emporschlaengelten. Scheinbar waren die Moenche etwas fauler als wir.

Bei der Gompa angekommen, wurden wir gleich mal von heftigem Gebell begruesst: vier Hunde stuermten auf uns zu und wollten spielen. Als der eine dabei begann, nach meiner Hose zu schnappen, wurde ich ein bisschen nervoes, doch er wollte nichts Boeses. Er war der juengste der 4 und damit auch der Verspielteste. Als die Hunde merkten, dass wir weder spielen wollten, noch Esswaren dabei hatten, lieszen sie wieder von uns ab und jagten einander durch das Tempelgelaende.

Tempelhund


Ivonne und ich stiegen derweil aufs Dach hinauf und warteten, dass die Sonne so hoch kletterte, dass sie das Industal flutete und zum Leuchten brachte. Mittlerweile sieht man hier relativ viel Gruen entlang des Flusses. Diese paar Baeume, die bunten Gebetsfahnen und die roten Gewaender der Moenche sind eigentlich die einzigen Farbtupfer im sonst recht braunen Ladakh.

6:00: Es tut sich immer noch nichts. Ein paar junge Moenche sind schon wach, doch kein Anzeichen, dass ein Morgengebet stattfinden wuerde. 

Kurz nachdem wir zu spekulieren beginnen, ob wohl alle Moenche aufgrund des Feiertags zur damit verbunden grossen Feier nach Temisgang ausgeflogen sind, toent es vom Dach: 2 lange, tiefe Toene hoert man alternierend.
Ich flitze hinauf, so schnell das bei den steilen, demuts- und konditionsfoerdernden Stufen moeglich ist, und sehe 2 Moenche am Dach stehen und in lange Hoerner blasen, die an Alphoerner erinnern. Da! In der Ferne vom naechsten Kloster kommt das Echo! Beeindruckend!


Nach dem dunklen Getoene werden die Hoerner teleskopisch eingefahren, die Moenche setzen sich Goldhauben auf und fuehren noch eine Dachumgehung mit quaekenden Muschelhoernern durch. Ich kann mir dabei das Grinsen nicht verkneifen, als ein paar suedindische Touristen vergeblich versuchen, ein gutes Foto zu schiessen. Die Moenche sind zu schnell...


Schliesslich geht die Puja los. In einem relativ grossen Tempelraum stehen parallel, wie in einer Bibliothek, niedrige Tischchen, hinter denen erhoehte Reihen mit Sitzkissen verlaufen. Ca. 50 Moenche trudeln nach und nach ein, nehmen an ihrem designierten Ort Platz und ziehen aus dem Bankfach Butterteeschuesseln, die sie vor sich auf die Tischchen stellen. Ein Moench beginnt waehrenddessen mit der monotonen Rezitation des Gebetstextes. Die anderen Moenche stimmen teilweise mit ein, doch sie scheinen sich hauptsaechlich aufs Fruehstueck zu freuen. 
Da hoert man das schnelle Getappe kleiner Fuesse und eine Schar kleiner Moenche schleppt riesige Metallkannen mit Buttertee und ebensogrosse Kuebel mit Tsampa (noch mal zur Erinnerung: Mehl aus geroesteter Gerste) herbei und beginnt die Moenche zu bewirten. Wir Touristen sitzen ganz hinten, gleich neben dem Eingang auf Teppichen, um nicht zu stoeren und bekommen ebenfalls kleine Haeferl mit Buttertee gereicht. Leider kein Tsampa.

Buttertee fuer alle

Die Moenche essen erstmal gemuetlich und beginnen dann, mit dem Obermoench mit zu rezitieren. Viele scheinen durch andere Dinge abgelenkt und nehmen nur bei manchen Passagen teil. Vor allem die kleinen spielen lieber Fangen, scherzen herum, stossen einander an oder sind halt einfach sonst unaufmerksam. Immer wieder werden Buttertee und Tsampa nachgereicht. 
Was fuer ein Gewurl!
Zwischendurch herrscht immer wieder eine Weile Stille. Also.... Stille ist relativ. Wenn die Moenche schweigen, hoert man leise Radio BBC im Hintergrund, was absolut nicht dazupasst. Oder aber schon, denn die ganze Puja ist irgendwie skurril. Die Rezitationen gehen weiter, da ziehen manche Moenche auf einmal diverse Instrumente hervor (ein paar Floeten, ein paar Muschelhoerner) und spielen diese ohne erkennbare Melodie, ohne Zusammenspiel, ohne Rhythmus. 2 grosse Gebetstrommeln werden dazu noch komplett arhythmisch geschlagen. Dann wieder nur Rezitation.
Der Inder neben mir schiesst Fotos und tratscht in einer ziemlich irritierenden Lautstaerke mit seiner Frau. Die Moenche schauen boese. Ich starre peinlich beruehrt in meinen Buttertee und beschliesse dann, zu meditieren. Das funktioniert bei dieser monotonen Begleitung ganz gut.
Irgendwann werde ich durch lautes Klatschen wieder aus dieser Phase gerissen. Die Instrumente sind verschwunden, stattdessen wird jetzt halbrhythmisch, aber noch immer ohne erkennbares System zu den Rezitationen mitgeklatscht. Manche der Moenche sind schon verschwunden - scheinbar waren sie nur fuer den Tee hier.

Irgendwann stehen die beiden Inder auf und schreiten komplett ungeniert die Gaenge mit den Moenchen entlang, um viele gute Fotos zu machen. Dann gehen sie. Ivonne und ich bleiben noch eine Weile, doch als nach ueber einer Stunde meine Beine vom Schneidersitz jegliches Gefuehl verloren haben, gehen auch wieder. Naemlich auch fruehstuecken.

Gebetsmuehle: ein paar gute Wuensche in die Welt gesandt
Gebetsmuehlen fuer Arme. 


Da der Tag so schoen ist, die Lichtstimmung einfach herrlich und wir unseren Beinen etwas Gutes tun wollen, treten wir den Weg zurueck zu Fuss an. Ein ruhiger Weg schlaengelt sich nahe dem Indus durch Felder und auf ebendiesem gelangen wir nach 3-4 Kilometern nach Shey. Den Koenigspalast dort lassen wir aus und flanieren (bzw stolpern) stattdessen ueber ein grosses Feld mit angeblich ueber 700 Stupas (Bild einer Stupa in einem der vorigen Beitraege). Erinnerungen an Graeberfelder und Nekropolen fluten mein Gedaechtnis - es ist etwas gruselig.

Eine Elster erhebt sich von einem Choerten

Ja und dann wollten wir nach Leh. Diesmal mussten wir ein Stueckchen weiter marschieren, bis man uns mitzunehmen bereit war. Schliesslich hielt ein Jeep neben uns. Auf der Ladeflaeche hinten gab's Sitzbaenke und ebendort durften wir Platz nehmen. Unsere Chauffeure waren diesmal 2 mittelaltrige Bedienstete der indischen Armee, deren Zahlen hier vermutlich die der lokalen Bevoelkerung uebersteigen. Im Gegensatz zu ihren juengeren Artgenossen, die ungeniert starren oder Fotos schiessen, sind diese beiden richtig nett und umgaenglich. Sie erzaehlten uns, wie hart es ist, im Winter auf einem der Paesse ihren Dienst zu leisten und wie gluecklich sie darueber sind, dass es jetzt endlich warm wird. Mir waere ganz recht gewesen, wenn der Fahrer dabei nicht seine Haende zum Gestikulieren verwendet haette, doch schlussendlich waren wir am Rande von Leh angekommen. Mir war mittlerweile schlecht - aufgrund des Fahrstils, des Staubs und der Abgasdichte. 
Nach Leh emporgestiegen sammelten wir schliesslich bei einem ordentlichen Espresso und leckerem Kuchen wieder neue Kraft. 

Trotz den Vorzuegen, die es hat, wenn man um 4 aufsteht, wurde die Aufwachzeit fuer die naechsten Tage wird wieder auf 5:30 Uhr verschoben - das ist doch um einiges angenehmer...


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