Tuesday, October 09, 2012

Emoticise me

Dieser Beitrag hätte schon etwa vor einem Jahr verfasst werden sollen, doch Freundin Faulheit und die üble Notwendigkeit, sich mit anderen Schriftstücken beschäftigen zu müssen, kamen dem in die Quere. Neu angestachelt, dieses schwelende Ärgernis endlich auf virtuelles Papier zu bringen wurde ich nicht zuletzt durch einen Profilartikel (in der Ausgabe vom So 7.10.), der neben der Überschwemmung von Facebook und anderen Bildumschlagplätzen durch emotional positiv behaftete Bilder wie Kätzchen, Sonnenuntergänge und ähnliches, auch die Inflation von gelben Grinsegesichtern in beinahe jeder versandten Nachricht bekrittelt. Die Bilder lass ich jetzt mal im Lager angelehnt, denn über zu viel Geknipse hab ich mich ja eh dort schon echauffiert. Aber zur Invasion der Smileys habe ich meinen Senf noch auf den großen Teller zu patzen.

Schon länger fällt auf, dass man kaum mehr eine informelle SMS oder eine Email findet, in der sich der Absender nicht bemüßigt fühlte, ein lachendes, zwinkerndes oder die Zunge rausstreckendes Smileygesicht einzufügen. Selbst Emails vom Chef enthalten diese Dinger zum Teil und verwirren mich immer, da das Genre nicht ganz stimmt. Gehen wir noch einen Schritt weiter zur virtuellen Kommunikation in Echtzeit, nämlich zu Skype oder ähnlichen Medien (man denke an die Zeiten von Windows Messenger oder ICQ), entkommt man den Emotica noch weniger. Zu allem Überfluss trifft man sie hier nicht mehr nur in der Doppelpunkt+(Bindestrich+)Klammer-Variante an, sondern es wird dem Benutzer dort schon seit Jahren eine unüberschaubare Fülle von gelben Grinsebällen angeboten, die sich wütend rot färben, Tränen vergießen oder sich ihre Stirnfransen aus dem Gesicht streichen (stets mein Favorit, da seine Unnötigkeit von beinahe keinem anderen Emoticon übertroffen werden kann). Diese verleiten sehr schnell dazu, Dinge nicht mehr auszusprechen, sondern gleich das entsprechende Emoticon zu suchen und anstelle von Worten einzufügen: schnell, effizient und oft ausdrucksstärker.

Anfangs ist es ja irgendwie witzig, die Dinger einzubauen, wenn sie emotional gerade passen, aber irgendwann erschlägt einen ein Textbeitrag durch seine kugelig-bunte Vielfalt. Die Zeilen rutschen aus Formatierungsgründen an unlogischen Stellen auseinander und der Text liest sich gleich einem Volksschullesebuch, wo unbekannte Wörter noch durch eine Zeichnung ersetzt waren.

Irgendwann beginnt es dann zu nerven. Kann man einander denn keinen durchläufigen Text mehr schicken, bei dem man nicht den Eindruck bekommt, dass der Verfasser innerhalb von 3 Sätzen fünfmal seine Mimik ändert? Ist es wirklich notwendig geworden, dass wir unser weit entferntes Gegenüber mit schemenhaften Skizzen unserer momentanen Laune behelligen müssen, bzw. ihnen dadurch versichern müssen, dass wir eh gut gelaunt sind? (Müssen wir gut gelaunt sein? Reicht neutral nicht eigentlich aus?)


na? nervt's?


 Offenbar lautet die Antwort darauf "ja". Man hat scheinbar Angst davor, dass das Gesagte beim Lesenden falsch ankommen könnte. Vielleicht klingt's böse, wenn ich das so kurz und knapp schreibe? Sicherheitshalber tu ich da ein Smiley dazu. Glaubt der jetzt, dass ich beleidigt bin? Ein zungezeigender Flummi hilft bei der Klärung. Versteht man meinen Sarkasmus? Ich schwäche alles potentiell Angriffige mit einem Zwinkersmiley ab.
Das geht in manchen Fällen so weit, dass man keine Sätze mehr findet, denen nicht irgendein emotionenanzeigendes Kürzel angehängt ist (und hier beziehe ich auch Dinge wie "lol", "rofl", "g", "lmao" etc. mit ein, denn die sind ja eigentlich nichts als die Verschriftlichung von Emoticons, wie sie von rebellierenden Smileydesafficionados bevorzugt werden).

Nett? Keineswegs. Damals, als ich mich probeweise auf einer Partnersuchplatform bewegte, musterte ich derartige Kandidaten sofort aus. Warum? Weil übertriebene Verwendung von Emotica ein Zeichen von Unsicherheit ist und dadurch der Text vermutlich sowieso verfälscht ist, fand ich, und mir außerdem - so ganz subjektiv - auf die Nerven geht. Ein oder zwei in einem Text sind ja akzeptabel, aber nach jedem Satz muss das echt nicht sein.
Nun ja, leicht erklärbar ist es dennoch: Wenn man sich schriftlich kennenlernt, fällt es dem Addressaten unter Umständen nicht unbedingt leicht, dem Humor des Schreibers zu folgen - Smileys wirken da als eine Art Legende, die anzeigen, wann etwas lustig ist und wann man es mit Ernst betrachten muss. (Die geschriebene Variante einer amerikanischen SitCom, sozusagen: Man bekommt nicht laut vorgelacht, sondern ein - mehr oder minder - dezenter Smiley symbolisiert: Achtung, das hier ist nicht todernst zu nehmen.) Hat durchaus irgendwie Berechtigung.

Und damit bin ich auch schon an dem Teil des Beitrags angekommen, wo ich mich selbst in die Mangel nehme: So sehr mich diese ganze Gelblacherei aufregt, merke ich immer wieder, dass ich selber nicht umhin komme, meine Handynachrichten damit zu versehen oder meinen Skypeaussagen damit eine klarere Richtung zu geben. Die Angst davor, falsch verstanden zu werden, oder zu ernst zu wirken, ist zu groß, als dass ich dieses Jucken in den Fingern ignorieren könnte. Ein Emoticon hilft oft tatsächlich, der Kommunikation die unbeabsichtigte Mehrdeutigkeit zu nehmen.
Bei Emails reiße ich mich immerhin mittlerweile meist so weit am Riemen, dass sie (beinahe) ohne Grinsegesichter auskommen, bzw. retuschiere ich nach dem ersten Entwurf meist gut die Hälfte der eingefügten wieder raus, um einer Überladung vorzubeugen und selbst bei SMS wird es schon besser, wobei auffällt, dass ich mich bei Leuten, die ich gar nicht oder bei jenen die ich sehr gut kenne, weitaus seltener genötigt fühle Verständnissmileys einzufügen, als bei Leuten, die ich mittelmäßig gut kenne und die sich noch eine profundere Meinung von mir bilden müssen.

Es ist also ein Dilemma. Die Sprachpuristin in mir schreit nach Abschaffung dieses Trends und einer Auslöschwelle der gelben Kreise, während der Teil in mir, dem die soziale, interpersonelle Komponente von Kommunikation am Herzen liegt, sich davon nicht recht zu lösen vermag, immerhin geht es bei Sprache ja darum, sich verständlich zu machen. Schade, aber, dass man das mit Worten alleine scheinbar nicht mehr recht vermag.


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