Wednesday, January 06, 2010

Kampf gegen den Gruppenzwang in Jordanien

Manchen ist es bekannt, anderen nicht: Das heurige Weihnachtsgeschenk war eine Gruppenreise samt Mutter und Schwester in das ferne Land am Jordan. Wegen antizipiertem Stress hatte ich das Angebot einer bezahlten Reise vorerst abgelehnt, mich dann aber eines besseren besonnen.

Die Umstände:
Gruppe: 48 Leute, großteils (Früh-)Pensionisten, 3 wirklich nervige Personen: In der Früh gab es regelrechte Kämpfe um die Sitzplätze - wie.im.Kindergarten!
Reiseleitung: Mohammed, ~50 Jahre, sehr entspannt und hat mit seinem Schmäh alles aufgelockert (und die nervigen Leute einfach so halb ignoriert - hehe)
Das Wetter: großteils warm und sonnig - bin sogar bissi braun geworden
Das Programm: hauptsächlich Ausgrabungsstätten (Philadelphia, Antiochia, Gadara, Gerasa, Petra), das tote Meer, Berg Nebo, die Wüste Wadi Rum per Jeep

Anstatt meines gesamten Reisetagebuchs stelle ich der Interessantheit halber nur ein paar Bilder online, wobei mein besonderer Dank an meine Schwester geht, die die meisten davon zur Verfügung gestellt hat (nachdem meine Person des Gehens unfähig ihre Kamera geschrottet hat):


Amman mit jordanischer Flagge über den Häusern: Amman hat's geschafft, im letzten Jahrhundert von einem 2000-Leute Dorf zu einer 2.000.000-Einwohner Metropole zu werden.


Die ersten Einheimischen mit denen ich Bekanntschaft machte: Da das archäologische Buch, das meine Mutter vor der Reise erstanden hatte, mir mehr mitzuteilen vermochte als Mohammed, habe ich mich regelmäßig von der Gruppe absentiert und bin allein herumgewandert. Auf der Zitadelle Ammans läuft mir eine Horde lebhafter, aber lieber Bengel über den Weg und grüßt mich mit einem freudigen Hello!, dem ich mit einem nicht weniger enthusiastischen Hi! antworte. Sofort wurde ich neugierig umzingelt und man fragte mich nach meinem Namen. Kurz darauf kamen alle auf Gegenfrage einzeln zu mir, schüttelten mir (teils freudig, teils schüchtern) die Hand und stellten sich mir vor. (Gleich zwei hießen origineller Weise Mohammed.) Für weitere Konversationen reichte der Buben Englisch leider nicht (Do you speak Arabic? Guter Versuch. No.). Ich fragte, ob ich sie fotografieren dürfte, woraufhin sie gleich ganz begeistert posierten und sich dann sofort um mich scharten, um das Foto zu sehen. Sie bedankten sich ganz begeistert bei mir (ja, sie bei mir!), verabschiedeten sich und zogen ihrer Wege.



Mehrere Tonnen schwere Steintür in Qasr-El-Azraq, dem einstigen Winterquartier von Lawrence of Arabia. Ich frag mich, wie sie die bewegt haben!



Qasr Amra - eins der omayyadischen Wüstenschlösser: komplett mit Thermen (Das Caldarium ist der Kuppelteil rechts)



Jerash / Gerasa: Eine wunderschöne Ausgrabungsstätte, trotz Regen. Dort habe ich wieder einmal die Gruppe verloren... absichtlich.


Tee und Kaffee an der Straße: Für einen Dinar kriegt man einen Becher. Im Hintergrund unser Leibwächter Yasan, immer mit dabei. Er zeichnete sich aus durch seine Ruhe, seine Freundlichkeit und seine blaue Militärjacke.


Jordanischer Tee ist Schwarztee, der über Minzeblätter gegossen wird. Alternativ auch mit Salbei, Zimt oder Kardamom möglich. Mhhhh... (Grundsätzlich sind Tee und Kaffee in diesem Land extrem süß, aber manchmal hat man Entscheidungsfreiheit.)


Wir (vor einem Pool auf einer Terrasse am toten Meer - die Terrasse wurde extra für Touristen wunderschön ausgebaut und gestaltet. Da kommt einem das Speiben.) Das tote Meer selbst ist auf jeden Fall einen Besuch wert: Man watet hinein und sobald man etwa bis zur Körpermitte im Wasser steht, fällt einem ebendieses gar nicht mehr so leicht, denn man spürt einen irgendwie total lustigen Auftrieb und landet fast automatisch in der Horizontale und kann so unbekümmert herumdriften. Sich wieder aufzurichten ist dagegen eine Herausforderung! (Vom Kosten des Salzwassers ist übrigends abzuraten: Es hat mir gereicht, meinen Finger probehalber in den Mund zu stecken. Wenn man mehr erwischt, verätzt man sich vermutlich die Speiseröhre!)


Authentisch!


Wadi el-Mujib: Eines der gigantischen Täler deren Gesteinsformationen immer und immer wieder staunen lassen. Es ist keine Kulisse - es ist echt!


Im Siq (=Schlucht) das zur alten Nabatäerstadt Petra führt. Der Weg windet sich durch eine relativ schmale Sandsteinspalte deren rote Wände nur an den Spitzen von der Sonne berührt werden.


... und plötzlich öffnet sich die Spalte zu einem Platz und man sieht die Khazneh, auch Schatzhaus des Pharaos genannt, obwohl es ein Grabmonument ist. Deren gibt es in Petra viele. Eines davon (Ed Deir) liegt weit oben auf einem Hochplateau. Meine Mutter und ich haben den langen Weg über schmale, ausgetretene Sandsteinstufen angetreten - den Eselsritt, den die Beduinen uns mit allen Mitteln anzudrehen versuchten (Ferrari with air condition! Only 20 minutes ride!) haben wir ausgeschlagen - im Gegensatz zu etlichen anderen Touristen, denen oft Bewegung nicht unbedingt geschadet hätte. Und so wurden wir ständig von Eseln oder Pferden überholt, die die unebenen Stufen und geröllreichen Pfade problemlos zu bewältigen schienen.


Captain Jack Sparrow auf seinem (Wüsten-)Schiff: Nicht nur Esel und Pferde wurden uns als Transportmittel angeboten, sondern auch Kamele. Der Mann auf dem Kamel ist einer der vielen Beduinen, die vor nicht allzu langer Zeit noch in den Grabhölen von Petra wohnten. Sehr schöne Menschen mit ebenmäßigen Gesichtszügen, Kajal um die Augen, und einer unwiderstehlich lässigen Art.

"Beduines are strong as the desert, fast as the wind, soft as the sand and free forever."


Am letzten Tag ging es per Jeep in die Wüste Wadi Rum: Auf der überdachten Ladefläche sitzend klammerten wir uns fest, als unser "17"-jähriger Fahrer den Wagen einhändig auf die Sandpisten steuerte. Wadi Rum ist weit, rot und spektakulär! Vom surreal roten Sand steigen zerklüftete Steinmassive in gelb, rot und grau in die Höhe und geben ein unvergessliches Bild. Wie für Petra reicht auch hier ein Tag niemals aus!

Die pralle Sonne und den Staub antizipierend, erstand ich vorher ein weißes Tuch, mit dem ich die öffentliche Bedürfnisanstalt aufsuchte um mir dort den Spiegel zu Hilfe zu nehmen. Der Toilettenpfleger sah meine jämmerlichen Versuche, kam sofort her und nahm mir das Tuch aus der Hand. Gekonnt wickelte er es mir um den Kopf und - tadah! - schon stand ich transformiert wieder in meiner Reisegruppe (und fand noch etliche Nachahmer). Bereut habe ich das Tuch nicht.


Siq im Jebel-Khazali in Wadi Rum. Ein Traum für Kletterbegeisterte.


Nach der Jeep tour wurden wir im Beduinendorf Rum (ja, es heißt wie das Tal) zu einer Touristenabfütterungsstation gekarrt, wo man zu einem überteuerten Preis sich am Buffet bedienen darf. Da wir das in Ermangelung von Verhungerungserscheinungen nicht wollten, kehrten wir der Einrichtung den Rücken und beschlossen, uns stattdessen das Dorf näher anzusehen. Ein paar hundert Meter von besagter Fressstelle entfernt lockte unter Lehmarkaden der sonnengelbe Schriftzug "Ali's Place". Heraußen lümmelten auf Plastiksesseln ein paar Beduinenburschen und grüßten uns sofort freundlich. Ein netter Ort.
Can we get tea here? - Certainly.
Sofort wurden wir von Ali persönlich begrüßt. Would you like to sit in the sun or in the shadow?
Wir konnten uns nicht einigen und so stellte Ali kurzerhand einen Plastiksessel in den Schatten und zwei in die Sonne um einen runden Tisch. Wir bestellten Tee / Kaffee und Mama traute sich zu fragen, ob man auch etwas zu Essen haben könnte (Speisekarten oder derartiges gibt es dort nicht - ist ja auch kein Restaurant). Ali bot an, uns Omelettes zu machen, mit Gewürzen, Brot und Käse. Klingt gut. Nehmen wir.
Und so schlug Ali ein paar Eier in die gusseiserne Pfanne und produzierte auf dem kleinen Gasherd unter den Arkaden zwei perfekte runde Omelettes, die er uns auf kleinen, schnell abgewischten Tellerchen brachte. Als nächstes kam er mit einem Stoß shraak (in anderen Gegenden als Pita-Brot besser bekannt)
, dann mit einem Teller auf dem sich Gurken, Paradeiser und Paprika türmten, dann mit einem Teller voller Streichkäseeckchen. Schließlich brachte er eine Kanne leckeren Beduinentees (diesmal mit Salbei).
Wir bedankten uns und begannen zu essen, als Ali schon wieder an unseren Tisch trat: er hielt eine Schüssel Olivenöl und einen Teller mit einer grünen Gewürzmischung aus Thymian, Oregano, Sesam und etlichen anderen unbekannten Komponenten in Händen und klärte uns auf, dass diese Substanzen am Frühstückstisch eines Beduinen nicht fehlen dürfen: Man tunkt das flache Brot zuerst in Olivenöl und dann in die Gewürzmischung. Mhhhh.

Und so saßen wir gemütlich in der Sonne / im Schatten, umgeben vom traumhaften Panorama des Wadi Rum und genossen das allerbeste Mittagsmahl der gesamten Woche. Und als wir so tafelten kam der freundliche Beduine ein weiteres Mal zu uns an den Tisch und stellte einen Teller mit drei Stück einer typisch jordanischen Süßspeise als zusätzliches Geschenk ab: kleine süße Grieswürfel (The most important thing in making them is the person [who makes them]). Wahnsinn! Was will man mehr?
Bedauerlicherweise blieb uns nur eine halbe Stunde Zeit, bevor wir uns wieder im Bus einfinden sollten, und da bei den Beduinen alles ein bisschen gemütlicher geht und Stress ein zu vermeidendes Übel ist (If you have time you are rich.), waren wir ohnehin schon spät dran. Es dauerte uns, aber wir mussten Abschied nehmen. So schlugen wir also Alis Angebot, den Bus für uns lahmzulegen, aus und fragten, was wir ihm schuldeten. Er überlegte kurz: Erm... five Dinar. Die Antwort warf uns um: 5 lächerliche Dinar (= €5) um die Kosten von dreier Leute üppiger Speisung zu begleichen?!
Also gaben wir Trinkgeld.
Das wollte Ali nicht auf sich sitzen lassen und ließ uns nicht gehen, ohne ein Sackerl mit einem Kilo Orangen und Mandarinen anzufüllen und uns mitzugeben - for you to eat on the bus.
Er hielt uns an, das nächste Mal ohne Gruppe vorbeizuschauen. You are always welcome!
So sind sie, die Beduinen: die personifizierte Gastfreundschaft.

Schließlich fanden wir uns wieder im Bus ein, natürlich eine Viertelstunde zu spät. Aber who cares? Ein Erlebnis wie dieses auslassen? Niemals!


Fazit:
Jordanien wird mich wiedersehen. Und zwar mit einem großen Rucksack, statt einer Reisegruppe und mehr auf den Spuren der Beduinen als auf denen antiker Völker. Denn allein (bzw in kleinen Grüppchen) und im Gespräch mit Einheimischen entdeckt man erst die wahren Schätze eines Landes!




2 comments:

kathi said...

klingt, als hättest du eine menge erlebt : )

Anonymous said...

Da packt einen echt der Neid. Hach... Nimmst du mich dann mit, wenn du wieder hinfährst? :)