Wednesday, May 09, 2012

Im Internat

Nach 2 Tagen im Internat bin ich mal kurz in die Stadt geflohen, um ein paar Dinge zu kaufen und natuerlich, um wieder einmal ein Update in die Welt zu schicken.

Montags bin ich ja ins Mahabodhi Centre gezogen. Dafuer habe ich, wie sich herausstellen sollte, einen unguenstigen Zeitpunkt gewaehlt, denn die Feierlichkeiten von Sonntag wurden am Montag in der Schule fortgesetzt und als ich ankam, war in der Veranstaltungshalle gerade eine Zeremonie in Gange. Man zoegerte dennoch nicht und fuehrte mich in die Halle, wo mir hundert Augen folgten, als ich peinlich beruehrt den Mittelgang entlang schritt und schliesslich neben der Schuldirektorin Platz nahm. Lieber waere es mir gewesen, einfach unauffaellig hinten stehen zu bleiben, aber man hat hier ueberall das Beduerfnis die unverdienenden Westler in den Mittelpunkt zu ruecken und ein 'nein' wird nicht akzeptiert.
Nach einer Stunde Unwohlfuehlens und vieler Blicke war die Zeremonie vorbei und Dolma, die Schuldirektorin, die uebrigens mit nur 26 Jahren alles schupft, begann ein Gespraech mit mir. Sie fragte, in welchem Bereich des Zentrums ich gerne mithelfen wuerde und was ich in Oesterreich so taete und als sie hoerte, dass ich dort Englisch unterrichten werde, konnte sie ihre Begeisterung nicht mehr zurueckhalten. Offenbar hatte sie schon lange eine Volontaerin gewollt, die ihr beim Entwerfen und Herstellen von Lernhilfen helfen kann und vielleicht neue Ideen mitbringt. Am naechsten Tag haben wir gleich Plaene geschmiedet und eine Liste an Dingen erstellt, die ich basteln darf - eine sehr ruhige Aufgabe, aber das ist ganz gut so.

Untergebracht bin ich als einzige der Volontaerinnen (es gibt unserer 3) im girls hostel, also dem Maedcheninternat. Es beherbergt etwa 130 Maedels von 4 bis 18 Jahren. Doch zuerst bekam ich mal eine Fuehrung ueber das Gelaende. Yvonne, die deutsche Volontaerin, die fuer 6 Monate bleibt, hat mich zuerst ins Altersheim gefuehrt, wo die alten Menschen zwar kein Wort Englisch koennen, aber das fehlende Gespraech mit vielen Julleys und einem breiten, zahnlosen Laecheln wettmachen. Ein paar von ihnen nehmen meine Hand in beide ihre, neigen den Kopf und fuehren meine Hand an ihre Stirn. Das ist eine Geste von enormem Respekt und sogar jetzt wo ich nur dran denke, muss ich schon Traenen der Ruehrug ersticken. Verbraechte ich dort mehr Zeit, wuerde ich bestimmt nur weinen bei so viel Herzenswaerme!

Ruehrend ging's weiter, denn als naechstes kam die Unterkunft der blinden und sehbehinderten Kinder. 4 Burschen sassen am Gang und spielten Ludo (unser Mensch-aergere-dich-nicht). Sie waren aufgeweckt und lustig drauf und wir plauderten ueber Spiele und uebers Laufen und sie waren ganz begeistert, als ich ihnen vom Vienna Night Run erzaehlte (der ja ein Benefizlauf fuer Blinde ist). Mit dem Versprechen, zum Schachspielen wieder zu kommen - und mir eine Niederlage einzuholen - wanderten Yvonne und ich weiter und besuchten ein blindes Maedchen, das auf seinem Bett sass und las. Faszinierend, so ein Blindenbuch! Ein loser Zettel fiel heraus, und als ich ihn ihr zurueckgab meinte sie, das sei ihr Schmierzettel. Damit hatte sie mich, denn mir waere nie in den Sinn gekommen, dass Blinde auch selber schreiben. Aber natuerlich, warum sollten sie auch nicht? Natuerlich wollte ich dann wissen, wie das geht, und motiviert holte sie sofort ihre Utensilien - ein Raster mit kleinen Mulden und eine dicke Nadel - steckte das Papier in den Raster und stiess mit der Nadel diese kleinen Erhebungen ins Papier. "Hello Kristina, welcome to this hostel" stand dann auf dem Blatt und ich konnte es fuehlen. Ich war hin und weg. Sie erzaehlte mir weiters, dass Buecher und Papier in Ladakh nicht erhaeltlich sind und sie deshalb nur wenige Materialien haben, mit denen sie sparsam sein muessen und ich fasste den Entschluss, mich in Oesterreich mal schlau zu machen und ein paar Dinge her zu senden. (Wenn jemand sich beteiligen mag, freu ich mich!!)

Schliesslich ging's zurueck ins girls hostel und ich wollte mich ans Auspacken machen. Doch so weit kam's nicht. Als ich den Hof betrat schallte es von vielen Seiten "Good afternoon, ma'am! How are you, ma'am?" und zwei der Vierjaehrigen liefen herbei und haengten sich sofort an meine Haende. Dann blickten sie scheu zu mir hoch. Auf einmal - so schnell konnte ich gar nicht schauen - hatte ich an meinen 2 Haenden 3 Ketten von kleinen Maedels, die darauf bestanden, mir das Hostel zu zeigen. Und so wurde ich durchgeschleift, musste mir jedes Zimmer ansehen und alles kommentieren. Im Speisesaal angekommen (mittlerweile hatten wir ein Gefolge von etwa 40 kleinen Maedels) zerrten sie von irgendwo einen Plastiksessel herbei, stellten sich im Kreis auf und begannen, mir Lieder vorzusingen und dazu zu tanzen. Ich kam aus dem Lachen nicht heraus, denn sie gebaerdeten sich dabei so lustig. Und wieder war ich tief beruehrt.

An diesem Tag schienen meine Gefuehle zwischen Traenen und Gelaechter zu polarisieren: dazwischen gab's nichts. Ich war einfach nur ueberwaeltigt von den Eindruecken, die ich bekam.

Irgendwann nach dem Abendessen bekam ich endlich die Chance, mein Zimmer zu beziehen. Es ist gar nicht so unluxurioes und ich hab mein eigenes Bad. Gut, den Zulauf zum Klospuelkasten muss ich staendig auf- und zudrehen, weil der Spuelkasten sonst ueberlaeuft und das heisse Wasser geht auch wieder mal nicht, sodass ich mir halt allabendlich einen Kuebel voll holen gehe, aber was solls. Immerhin ist es nicht so kalt wie im Guest House - oder ich hab mich schon and die Kaelte gewoehnt. (Die Hoehenanpassung hat sich uebrigens komplett vollzogen und unlaengst hat eine Touristin gemeint, ich sei schon viel laenger hier, weil sie mich flotten Schritts durch die Stadt marschieren hat sehen und ihr selber das nach 5 Tagen noch nicht moeglich war. Ich mag meinen Koerper.)

Ja, und jetzt gibt's also Internatsleben fuer mich und das sieht so aus:

5:30 Tagwache mit lauter Musik, sodass man an ein Weiterschlafen nicht mal denken braucht  (die Musik spielt sowieso den ganzen Tag)
6:30 Meditation im Meditationszentrum: das ist grossartig, wenn auch schwieriger als gedacht
7:30 Fruehstueck
dann entweder eigene Dinge oder in den Aktivraum des Kindergartens, wo ich mein Bastellager aufgeschlagen hab
13:20 Mittagessen
danach: weiterbasteln
16:30 zurueck ins Hostel (laenger bleiben ist ausgeschlossen, weil manche der kleinen Maedchen auf mich warten, um mit mir zurueck zu gehen)
bis 20:00 Beschaeftigung der Kleinen oder wieder Zeit fuer mich (eher ersteres: Entkommen fast unmoeglich)
20:00 Abendessen
dann eigene Dinge erledigen, bissl Lesen
22:30 Strom aus. (Wie gut, dass ich eine Stirnlampe dabei hab!)

Und damit ist so ein Tag schnell ausgefuellt! Ich muss mir jetzt ein paar Lieder und Spiele ueberlegen, die ich den kleinen beibringen kann, denn den Nonnen im Nonneninternat habe ich versprochen, heute wieder vorbei zu schauen und ihnen eins beizubringen. Wenn jemand Ideen hat, bitte nur her damit!

Meine groesste Herausforderung im Umgang mit den Maedels ist es, mir ihre Namen zu merken. Erstens sind die sowieso schon komplex, weil ausschliesslich Doppelnamen, zweitens sind die meistens ident und drittens gibt's einfach so viele Kinder! Seit gestern habe ich zu diesem Zweck staendig Block und Stift dabei und notiere mir einfach die fuer mich relevantesten. Die Hoffnung, alle zu lernen, habe ich aufgegeben.
Mit meinem Namen duerften sie aber ebenso Probleme haben, denn taeglich werde ich an die 50x danach gefragt. Ich versuche ausserdem, ihnen beizubringen, dass sie mich ruhig mit Namen anreden koennen, aber ma'am, oder ma'am-le (der Respektspartikel) gehen ihnen scheinbar leichter von der Zunge.
Aber es ist ja noch Zeit.

Das war's fuer heute, bitte schalten Sie wieder zu! Das naechste Update gibt's fruehestens Ende der Woche - eher Anfang naechster. Am Programm steht ein Ausflug ins Nubratal mit Yvonne und Mariana. Bin gespannt....

4 comments:

Kathi said...

Ich bin hin- und hergerissen zwischen Aufregung über die Abenteuer, auf die du gestoßen bist, und dem Schmunzeln über die Tatsache, dass du fast unverschämtes Glück beim Finden hattest (wenn man sich an die 'Planung' des Ganzen erinnert ;)

Auf jeden Fall: gut, dass du bei lieben Leuten untergekommen bist - dann kann man aufhören sich Sorgen zu machen!

P.S.: gibt's schon eine Adresse, an die man im Fall der Fälle schreiben kann!?

Winke, winke in Richtung Himalaya!

Kristy said...

Hey! Schoen von dir zu lesen!

Ach, tragische Abenteuer waren eh keine dabei (ausser man zaehlt die Kaelte mit) - eigentlich ist alles hier super! sogar ans fruehe Aufstehen hab ich mich schon gewoehnt. Aber ich glaub, wenn Dani mich nicht jeden Morgen fuer die Meditation holen kommen wuerd, waer ich versucht weiter zu schlafen.

Adresse ist
Mahabodhi Meditation Centre
P.O.Box No 22
Leh Ladakh 194101, India

Ich weiss halt nicht, wie lang die Post hierher braucht...
Alle paar Tage zumindest hab ich aber Internet, wenn auch kein Skype.

Dir geht's gut?

Anonymous said...

Kristina!
Voll der Freude darf ich dir mitteilen, dass ich gestern meine Diplomprüfung erfolgreich hinter mich gebracht haben.
Daneben freut es mich natürlich außerordentlich, dass du dich innerhalb weniger Tage in Indien "eingelebt" hast - ich kann mich nur anschließend, faszinierende wie schnell es dir immer gelingt, Kontakte herzustellen!
Ich hoffe du denkst an meinen Pullover oder irgendein anderes Stück indischer Handwerkskunst! Auch über etwas von einem Bauernhof würde ich mich freuen :-)
Machst du auch Fotos???
Lg Pia

Kristy said...

Pullover wird schwierig... also einen, den du auch tragen wuerdest. Was von einem Bauernhof? Hm... wie waers mit einem kleinen stoerrischen Yak mit - oder haettest lieber ein Kamel? Die riechen halt bissl streng, aber das wuerd sich bei euch sicher wohlfuehlen. Ausserdem sind beide genuegsam...
Oder eine Pashminaziege? Dann kannst deinen eigenen Schal machen.

Und: herzliche GRATULATION!!!! (hab mir eh nie Sorgen gemacht).

Fotos hab ich schon sauviele - ich erwarte mir, dass du dann alle 5 Stunden Diavortrag (ungekuerzt) durchhaeltst!