Sunday, May 06, 2012

Om mani padme hum

Es ist wirklich aergerlich, dass ich hier keine Fotos hochladen kann, denn heute habe ich sehr viele - darunter auch etliche recht gute - gemacht. Denn heute war's so weit: ein Ausflug stand an. Riki und eine Niederlaenderin haben sich zusammengetan und einen Taxifahrer angeheuert, um sich ein bisschen die Gegend und ein paar Kloester anzusehen. Je mehr desto lustiger - und desto guenstiger - und so wurde auch ich gefragt. Man machte sich einen Treffpunkt fuer heute frueh aus, und um halb 10 sollte es losgehen.

Sollte. Doch in Leh fand der alljaehrliche Umzug zu Ehren Buddhas statt und ich war (zur Abwechslung) mal frueh genug auf, um mir das anzusehen. Bei einer Schuessel Tsampaporridge (Gerste, statt Hafer) mit Bananen und Honig beobachtete ich die Vorbereitungen und beendete mein Fruehstueck gerade rechtzeitig, als die Prozession losging. Auf den Gehsteigen tummelten sich Kinder, die durch die verschiedenen Schuluniformen eindeutig in Gruppen zu teilen waren. Auf der Strasse standen grosse, festlich geschmueckte Wagen, auf denen Schueler Szenen aus dem Leben Buddhas darstellten. Das Militaer stand mehr oder weniger unauffaellig an den Ecken und ueberwachte das Getuemmel.
Dann hoerte man leises Summen, das immer lauter wurde: der Gesang der Moenche. Aus einem Tempel an der Strasse stroemten Menschen: zuerst Musiker, dann Frauen in ladakhischer Tracht, schliesslich zwei lange Reihen von Maennern, die riesige Gebetbuecher trugen. Links und rechts am Strassenrand bildeten die Menschen Reihen und verneigten sich, sodass die Maenner sie mit den Gebetbuechern am Kopf beruehren und segnen konnten. Ich stand respektvoll beobachtend (und so unaufdringlich wie moeglich fotografierend) in zweiter Reihe. Da sah einer der Gebetbuchtraeger auf, laechelte mich an und hob auffordernd sein Buch: ich solle in die Reihe treten.
Mir ist bei derartigen Dingen immer unwohl, denn ich will mich als ignorante Westlerin nicht in einheimische Braeuche draengen, aber der Mann schien es zu erwarten, also laechelte ich zurueck und neigte demuetig mein Haupt. Schon war ich gesegnet. Ich blickte wieder auf und trat wieder zurueck, als mich schon der naechste wieder heranbat. Also nahm ich - leicht unsicher - meinen Platz wieder ein und wurde noch 15-20x mit Gebetbuechern gesegnet. Das Ganze ging mir so nahe, dass ich die Traenen zurueckhalten musste. Ein schoener Morgen!

Als ich also ausreichend gesegnet war, verriet mir ein Blick auf meine Uhr, dass ich jetzt fuer meinen kleinen Ausflug bereitstehen sollte und begann, mich Richtung Treffpunkt zu bewegen. Freilich bewegte die gesamte Prozession sich genau dort vorbei, sodass unser Fahrer seinen Jeep nicht annaehernd in die Naehe manoevrieren konnte. Ich hielt erfolglos Ausschau nach Riki und ueberlegte, wie ich mit der Gruppe in Kontakt treten koennte. Ohne Handy ist alles nicht so einfach....
45 Minuten spaeter befand ich, dass sie wohl ohne mich gefahren waren, ging zurueck zu meinem Guest House, um dort meine Jacke zu deponieren (heiss war's heute!) und machte mich dann gleich auf den Weg in die Stadt. Kaum war ich auf die Strasse getreten, sah ich Riki, die gerade in meine Gasse eingebogen war. Sie hatten versucht, in meinem Guest House anzurufen und mich in der Menge zu suchen, allerdings erfolglos. Aber in so einer kleinen Stadt wie Leh findet man einander schon, wenn man genug Zeit hat und halbwegs instinktiv agiert.

Und schon sassen wir im Jeep. Stundenlang wurden wir durch's Tal gefahren und ich staunte ueber die maechtigen Bergmassive zu beiden Seiten, den glitzernden, tuerkisen Indus, die wenigen gruenen Oasen, die immer wieder unvermutet nach einer Serpentine auftauchten und die Marillenhaine, die gerade in Bluete stehen.
3 buddhistische Kloester standen am Programm: Likir, Alchi und Rizong. Letzteres war eindeutig das Spannendste, was nicht zuletzt an den sehr abenteuerlichen Strassen lag. Enge einspurige Serpentinen winden sich die Bergflanke entlang und man will gar nicht in Betracht ziehen, dass einem jemand entgegenkommen koennte, denn Ausweichstellen hab ich wenig gesehen und rechts ging's - natuerlich unabgesichtert - steil hinab. Zuruecklehnen und nicht nachdenken ist die Devise.
Schliesslich taucht nach einer Kurve, hinter einem Bergvorsprung ein Kloster auf: irgendwo im nirgendwo, versteckt in den Bergen.
Ein junger buddhistischer Moench - natuerlich ganz in rot gekleidet - sperrt fuer uns den Tempel auf. Wir ziehen unsere Schuhe aus und buecken uns ehrfuerchtig unterm niedrigen Tuerrahmen durch und bestaunen die diversen Buddhastatuen und die Wandbemalungen, die alle moeglichen Formen Buddhas, Zornesgoetter und allerhand andere Darstellungen praesentieren.
Im 2. Tempel taut der junge Moench dann auf (wenn auch nur in seiner Freundlichkeit, denn in Wirklichkeit war er schwer verschnupft). Ich versuchte gerade, aus den Wandmalereien die Geschichte des Buddha zu lernen und offenbar war mein Scheitern sehr offenkundig. Der Moench trat an mich heran und begann, mir in sehr schwer verstaendlichem Englisch die Fresken zu erklaeren: von der Geburt Buddhas, ueber die Belehrung seiner 5 Schueler und seinen Aufstieg in den Himmel, bis zu seinem Tod. Da wir alle drei sehr viel Interesse zeigten, machte er gleich munter weiter und erzaehlte uns noch allerhand anderes ueber das Kloster und den Buddhismus generell. Das Thema ist so komplex, dass ich nicht mal beginnen kann, Dinge wirklich zu verstehen.
Schliesslich bedankten wir uns, zogen unsere Schuhe wieder an und machten uns zum Aufbruch bereit, als ein anderer Moench von einer tiefergelegenen Terrasse zu uns heraufwinkte

"Come, come! Have some butter tea!".

Ich war gleich Feuer und Flamme und brauchte nicht viele Worte, um auch meine Reisebegleiterinnen zu ueberzeugen, und so traten wir in den karg eingerichteten Speiseraum. An einer Seite der Wand standen vor Teppichen niedrige Tischchen. Der Moench deutete uns, uns zu setzen und unser Fuehrer brachte gleich hochmotiviert einen Teller Kekse, eine Kanne Tee und ein Holzgefaess mit Tsampa (Gerstenmehl). Die Moenche hatten ihren Spass uns dabei zuzusehen, als wir ueberlegten, was man wohl mit dem Mehl macht. Ich nahm zoegernd den Loeffel und kippte mir ein bisschen Mehl in den Tee und sah den Moench fragend an. Er bekam einen Lachanfall, meinte, ja, so koenne man es auch machen, aber eigentlich gaebe man sich ein bisschen Mehl auf die Hand, das man dann ableckt, bevor man Tee nachtrinkt (also nach Tequilaprinzip). Sehr nahrhaft, die Sache, vor allem der Buttertee. Buttertee ist uebrigens Schwarztee, in dem Butter und Salz verruehrt sind. Klingt grausig, schmeckt aber nicht schlecht. Zusammen mit Tsampa hat man beinahe eine vollwertige Nahrung vor sich - ein Fruehstueck. Ich werde dennoch jetzt nicht zur Butterteetrinkerin, doch das naechste Angebot werde ich natuerlich auch nicht ausschlagen. Leider konnten wir nicht lange bei den lustigen Moenchen verweilen, denn es war ein weiter Weg nach Leh. Also setzten wir uns wieder ins Auto...

Nach diesem ereignisreichen, segensreichen Tag sind wir vollfertig und mit vielen Fotos im Gepaeck wieder in Leh angekommen. Jetzt ruft der Schlafsack, denn morgen geht's spannend weiter....

P.S.: Om mani padme hum ist ein buddhistisches Mantra, das u.a. auf den bunten Gebetsfahnen, die hier ueberall wehen, geschrieben steht. Ausserdem wurde das bei der Prozession von den jungen Moenchen gesungen und seither bekomm ich's nicht aus dem Kopf.

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