Friday, May 13, 2022

Il Cammino di Dante (Teil 8) - Abstieg zum Fluss

Mein gestriges Abendessen kam ohne Fleisch aus und war, obwohl in der Mikrowelle gewärmt, nicht schlecht. Aber alles schmeckt, wenn man Hunger hat (Cappellacci [gefüllte Teigtaschen] mit Ricotta und Kräutern, danach gratinierte Tomaten und Grillgemüse, dazu eine ordentliche Portion Käse und Brot, sowie Rotwein ["Reicht dir ein Viertelliter?"], hinterher ein Stück Mürbeteigtorte mit Kirschmarmelade).

Da der Wind so geheult hat, habe ich das Fenster im der Nacht geschlossen gelassen und prompt nicht so gut geschlafen. Da kam es mir ganz recht, dass das Frühstück erst um 8:00 war.

Etappe 5 (offiziell 15): vom Passo della Calla über den Monte Falco und Fiumicello nach Premilcuore.

Nach dem ausgiebigen Frühstück (ähnlich wie die letzten Tage), verabschiede ich mich und steige hinter dem Chalet wieder zum Bergrücken hoch. Dort begrüßt mich sofort wieder der Wind und in seiner Begleitung steige ich hoch zum Monte Falco, dem höchsten Punkt meiner Wanderung. Die Bergkuppe ist unspektakulär und bietet keine besondere Aussicht, also fotografiere ich nur das Schild.

Monte Falco - 1686 Hm

Dann geht es landschaftlich ziemlich unspektakulär für die nächsten 10 km durch den Wald bergab. Der Abstieg ist insgesamt aber durchaus herausfordernd, denn der Weg ist uneben und von Wurzeln und Steinen geziert, sodass man jeden Schritt sehr bewusst setzen und alle Körpermuskeln kontrollieren muss, um nicht mit vollem Gewicht (+ 10 kg Rucksack) auf Knie- oder Knöchelgelenke zu krachen und dadurch ein Ausrutschen oder Umknicken zu fördern. Manchmal überdeckt ein dicker Blätterteppich den Waldboden, sodass man nicht sieht, welche Unebenheiten sich darunter verbergen. Das Gehen erfordert hohe Konzentration und Körperkontrolle und so ist es kein Wunder, dass sich die 10 km ziemlich in die Länge ziehen und mir auch merklich auf die Stimmung schlagen: ich will einfach nur hinunter, muss mich aber zügeln.

Blick zurück auf den gestrigen Kamm
(links geht mein Weg weiter)

Blätter, Äste, unwegsamer Boden


Nach ca. 12 km beschließe ich, eine Pause zu machen, obwohl ich weder Hunger noch Lust auf Pause habe, doch rational weiß ich, dass ich sie brauche. Ich suche mir also einen Platz in der Wiese und beginne, meinen Vorrat drastisch zu reduzieren, da ab morgen wieder bessere Infrastruktur vorzufinden sein wird und ich mich nicht sinnlos abschleppen will. Ich esse und trinke mir den Rucksack um ein schwaches kg leichter. Den entstehenden Müll packe ich natürlich ein und werde ihn später, bei einer der Mülltrennungsinseln, die man in jedem größeren Ort findet, richtig entsorgen.

Müll kann hier problemlos richtig getrennt werden

Ich wandere weiter und denke mir schon: 'Heute bekommt ihr wohl keine spannenden Bilder zu sehen', als ich an einem wirklich schönen Ort den Wald verlasse: an einer alten Mühle bei Fiumicello, die 1962 aufgegeben, doch später von Nachfahren der Besitzer saniert wurde. Jeden Sonntag kann man sie in Betrieb sehen.

Der Teich oberhalb der Mühle dient als Reservoir und auch als Paradies für Tiere

Mühle von der Brücke aus

Ich kann nicht widerstehen und erfrische meine Füße im kalten Flusswasser

Glücklich

Hier könnte ich stundenlang sitzen, aufs Wasser starren und dem Plätschern lauschen, aber ich habe ja noch ein paar Kilometer vor mir, also gehe ich weiter, großteils am Fluss entlang.

Manchmal geht der Weg als Furt durch einen Bach. Heute insgesamt vier Mal. Diese ist die tiefste, aber ich schaffe es trockenen Fußes.

Kröte, so groß wie meine Handfläche + Finger

Ca. 1 km nach der Mühle kommt Fiumicello, eine Ansammlung von Häusern mit einem gut besuchten Restaurant. Dort labe ich mich mit Espresso und Zitronenlimonade, schreibe meine Notizen und marschiere weiter nach Premilcuore. 
Das erste, was ich noch vor Ankunft im Ort selbst wahrnehme, sind Graffitis, die sich kritisch dem Tourismus gegenüber äußern und Respekt vor der Natur einmahnen. Kurz darauf komme ich an Wegweisern zu einer natürlichen Grotte und einem Wasserfall vorbei. Zu ersterer mache ich einen Abstecher und sehe ein Influencerpaar mit Kamera und Stativ, das die Absperrung ignoriert hat, um weiter in die Grotte hineinzukommen. Kein Wunder, dass das den Leuten sauer aufstößt. Bestimmt wird dort einiges durch unachtsames Verhalten zerstört und Müll hinterlassen.

Verärgert und nachdenklich gehe ich die letzten beiden Kilometer in den Ort. Dieser fühlt sich seltsam an. Irgendwie touristisch, aber gleichzeitig lieblos und leer. Irgendwie hübsch, aber nicht lieblich oder angenehm. Hm.

Erster Blick auf Premilcuore

In Premilcuore

Ich beziehe mein Hotel (das teuerste der Reise). Man ist nicht übermäßig freundlich. Das Licht im Bad funktioniert nicht. Man informiert mich, dass, wenn ich essen wolle, das um 19:00 stattfinde. Fragen o.ä. kann ich gar nicht stellen, so schnell ist die Besitzerin weg. Hm.

Ich werde jetzt noch in den Ort gehen, um mein Bild zu vertiefen. Vielleicht esse ich dort dann einfach woanders.

Etappenzusammenfassung (lt. Uhr):
22 km Distanz (inkl. Abstecher zur Grotte)
500 Hm GesamtAUFstieg / 1.390 Hm GesamtABstieg
07:00 Gesamtgehzeit (inkl. ca. 1,5 h Pause)

Körperzustandszusammenfassung:
Beim Abstieg haben heute die Schultern ziemlich geschmerzt und ich habe gemerkt, dass ich auf den rechten Knöchel Acht geben muss. Den Beinen geht es gut und mir insgesamt auch.

Lektürefortschritt:
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Sonstiges:
Ich bin mit der Qualität meiner Ausrüstung (echt robuste, wasserabweisende Schuhe, gut-sitzender Rucksack mit praktischen Elementen und Taschen), meiner Proviantplanung und meiner Kleidungsauswahl+Wäscheroutine sehr zufrieden. Dass das alles gar so gut zusammenspielt und funktioniert, hätte ich mir nicht gedacht.


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