Thursday, May 12, 2022

Il Cammino di Dante (Teil 7) - Hoch oben, zwischen den Provinzen

Auch gestern Abend wurde ich gut verpflegt, und zwar ausschließlich aus eigener Produktion oder von Freunden in der Umgebung und wieder mit Fleisch (ab morgen kann ich mein Abendessen dann wieder selbst wählen):

  • Antipasti: Prosciutto, Pecorino [Hartkäse], Salami, Leberpastete 
  • 1. Gang: Pasta mit Kirschtomaten und Chili
  • 2. Gang: in der Pfanne gebratenes Schweinefleisch mit Mangold 
  • Dazu reichlich Wasser und Rotwein 
  • Hinterher: Ein kleines Schlückchen selbstgemachter Anislikör (sehr gut, sehr stark).
Daniele, mein Quartiergeber leistete mir Gesellschaft und, obgleich wir unterschiedliche Weltanschauungen haben, fanden wir doch auch immer wieder gemeinsame Themen.

Ich schlief auch hier ausgezeichnet, wieder bei offenem Fenster, sodass die Vögel mich in der Früh wachzwitschern konnten.

Eigentlich hätte es Frühstück erst ab 8:00 gegeben, doch ich konnte Daniele zu 7:00 überreden. Gestärkt mit selbstgemachtem Apfelkuchen und Brot mit selbstgemachter Brombeer- und Orangenmarmelade (nicht gemischt), will ich mich auf den Weg machen, als Daniele mir noch nachruft: "Kristina! Vuoi del pane per il cammino?" (= "Magst du für deinen Weg Brot mitnehmen?") Dazu sage ich nicht "nein" und er packt mir etwas Brot - Prosciutto dazu lehne ich ab, ich habe außerdem noch den halben Käse von gestern - noch ein Stück Kuchen und einen Apfel ein. Ich quetsche alles irgendwie in meinen übervollen Rucksack und mache mich auf den Weg: steil bergauf, auf der Suche nach der vertrauten Markierung.

Heutige Strecke: von Borgo Valagnesi über Eremo di Camaldoli und Poggio di Scali zum Passo di Calla. Mit Ausnahme der ersten paar Kilometer morgen ist das die höchstgelegene Etappe des Dantewegs, auf durchschnittlich 1.200 m Seehöhe.


Statt dem Sticker mit Dantes Portrait gibt es manchmal nur einen roten Fleck mit CD (für Cammino Dante).
(Manchmal sind C und D so miteinander verschmolzen, dass es mich an das Cremissimo-Logo erinnert und dann bekomme ich gemeinerweise Lust auf Eis.)

Ich werde mich heute den ganzen Tag im Nationalpark Foreste Casentini bewegen und erklimme voller Energie die ersten 300 Höhenmeter. Gleich zu Beginn habe ich kurz Probleme mit der Navigation, weil es schon wieder zu viele Wege gibt und das GPS nicht funktioniert, aber finde mich rasch wieder zurecht, sodass ich pünktlich um 09:30 bei der Einsiedelei Sacro Eremo di Camaldoli ankomme. Ich freue mich, denn über diese Abtei habe ich in der Broschüre zum Danteweg (verlinkt im 1. Beitrag) gelesen und da wollte ich unbedingt hin.

Das Kloster liegt auf 1.111 Metern Seehöhe und soll um 1025 von Romualdo von Ravenna gegründet worden sein. Er errichtete die ersten fünf Eremitenzellen für Mönche, sowie die Kirche. Letztere wurde später barockisiert. Die Mönche folgen der Regula Benedicti, sind also Benediktinermönche, die nach dem bekannten Motto "ora et labora" (= "Bete und arbeite") leben.

Wie schon die Abtei von Vallombrosa (siehe Beitrag von vor zwei Tagen), liegt auch diese Einsiedelei im Wald, ist jedoch über eine Straße für Besucher (und Reisebusse voller lärmender Schulklassen) gut erreichbar. Als ich eintreffe ist noch alles ruhig und ich kann die besondere Stimmung und Stille des Ortes genießen. Gleich am Eingang wird man angewiesen "Entra in silenzio" (= "Tritt schweigend ein.")

Innenhof

Die Mönchszellen.
Hier haben Besucher keinen Zutritt.


Die Kirche

Beeindruckende Bilder

Nachdem ich auf leisen Sohlen durch das Kloster getappt bin und mir alles angesehen und die Infobroschüre gelesen habe, finde ich mir an der Außenwand, gleich neben einem sprudelnden Trinkwasserbrunnen eine sonnige Bank. Es ist ohnehin Zeit für mein zweites Frühstück.

Resteessen mit Oliven und Kuchen

Als die lärmenden Schulklassen eintreffen und es mir in der Sonne zu heiß wird, nehme ich meinen Rucksack und gehe weiter.

Findest du die Wegmarkierung für den Danteweg?

Blick zurück auf die Klostermauern
 (rechts ragen die Türmchen der Kirche auf)

Weiter geht es bergauf und die Etappe steht der von vor zwei Tagen in Höhenmetern, Anstrengung und Waldschönheit um nichts nach. Bald erreiche ich den Bergrücken, den ich heute für ca. 10 und morgen noch für ca. 5 km entlanggehen werde. Er markiert die Grenze zwischen den Provinzen Toskana und Emilia-Romagna. Ich merke die andere Qualität der Höhenluft und der warm-kühle Wind, der mich ab jetzt begleitet, zaubert mir den Frühling auf die Haut und Lebenslust und ein Gefühl von Freiheit in den Bauch.

Heute treffe ich erstmals auch andere Wanderer (5 Stück). Daniele hat mich gestern informiert, dass ich noch ein wenig vor der Saison unterwegs bin und sowohl Dante- als auch Franziskusweg eigentlich immer nur in dieselbe Richtung begangen werden, weshalb es kein Wunder sei, dass ich noch niemandem begegnet sei. Heute ist anders: Ein rüstiges Seniorentrio hält kurz zum Plaudern und wir tauschen uns aus, wer welchen Weg geht und welche Tagesetappe. (Sie gehen den Antoniusweg, von dem ich bis dahin noch nichts mitbekommen hatte).

Buchenwald

Links des Weges: Toskana
Rechts des Weges: Emilia-Romagna

Blick vom Poggio di Scali auf die wunderbare gebirgige Weite der Emilia-Romagna

Interessante Felsformationen

Passo della Calla:
der Pass, der die beiden Provinzen verbindet

Hier beziehe ich mein höchstgelegenes Quartier der Reise (ca. 1.400 Meter Seehöhe), eine Art Berghütte (aber mit Wifi und heißer Dusche im Zimmer). Bin schon gespannt, was man mir hier auftischt!

Etappenzusammenfassung (laut Uhr): 
18 km Distanz
1.100 Hm Gesamtaufstieg
06:50 h Gehzeit (inkl. ca. 2h Pause)

Körperzustandszusammenfassung:
Heute kaum Schmerzen. Der obere Rücken ist ein wenig verspannt und die Waden melden sich manchmal, aber im Großen und Ganzen fühle ich mich heute fitter als die letzten beiden Tage.

Lektürefortschritt:
Dante und Vergil verlassen die Hölle und werden (vermutlich erst morgen) ins Fegefeuer (purgatorio) weitergehen. (Ich fand das passend zum Provinzenwechsel und habe heute intensiv gelesen).







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